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100 Jahre Naturschutz auf Sylt

Buch-Neuerscheinung der Naturschutzgemeinschaft Sylt

Das neue Buch, das die Umwelt-Historikerin Dr. Anna Katharina Wöbse im Auftrag der Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V verfasst hat, ist ein längst überfälliges Werk. Niemand zuvor hat die spannende Geschichte des Naturschutzes auf der Insel in Buchform zusammengefasst. Möglicherweise, weil es wirklich viel Aufwand ist, sich durch umfangreichen staatlichen und privaten Archive zu kämpfen und das Wesentliche herauszufiltern und dann auch noch so zu formulieren, dass es mit Lust lesbar bleibt. Dr. Wöbse ist das meisterhaft gelungen! Sie war sicher auch prädesteniert für diese Aufgabe, denn sie hatte schon für ihr erstes Sylter Buch über die Umweltaktivistin Klara Enss viel in insularen Naturschutz-Archiven gestöbert. Zudem gelingt es Dr. Wöbse staubtrockene Archiv- und Amtstexte in lebendige Schilderungen zu verwandeln.

Am 22. März 1923, also vor rund einhundert Jahren, wurde das Listland und das Morsum Kliff samt Heidelandschaft als eine der ersten Naturschutzgebiete Deutschlands unter staatlichen Naturschutz gestellt. Ein Jahr später gründete der Sylter Arzt Knud Ahlborn mit einigen Gleichgesinnten den Verein Naturschutz Sylt e.V, der 1978 mit der Bürgerinitiative Sylt zur Naturschutzgemeinschaft Sylt fusionierte.
Wöbse belegt in der Neuerscheinung jedoch, dass die Anfänge des Schutzes von Sylter Natur viel früher begannen.

Rund 100 Jahre zuvor entdeckten Naturforscher des 19. Jahrhunderts den Seevogel-Reichtum der Insel. Zur damaligen Zeit waren diese Entdecker jedoch eher (Arten-) Sammler und Jäger, als echte Naturschützer. Dennoch fachten sie das steigende Interesse an, Landschaften zu bewahren, in denen eine artenreiche Vogelfauna zu Hause war. Sylt gehörte bald zu diesen Gebieten und zog Scharen von Vogelfreunden aus ganz Europa an. Ornithologie war damals in höheren Kreisen ein beliebtes Hobby und anerkannte Wissenschaft: Die ersten Vereine zum Schutz der Vögel gründeten sich in Europa. So an der deutschen Küste der Verein Jordsand, der sich 1910 als erster Verband auf dem Sylter Ellenbogen engagierte. Jordsand pachtete das Gebiet von den Listlandbesitzern, die in den Jahrzehnten zuvor einen Vogelschutz aus Eigennutz betrieben hatten. Sie bewachten die Brutkolonien des Listlandes und des Ellenbogens vor Feinden und Störungen, um eine gute Eierernte zu erzielen. Diese Nutzung wurde nachhaltig betrieben, um in den Folgejahren weiter von dem lukrativen Eiergeschäft zu profitieren.

In den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte sich zu dem Interesse die Seevögel zu schützen, allmählich immer mehr ein Auge für die Ästhetik der Insellandschaft, auch bedingt durch bildende Künstler, die die Insel als aussergewöhnliches Motiv entdeckten.

Spätestens mit der Ankündigung zur Errichtung eines Eisenbahndammes nach Sylt, erkannten die damaligen Akteure, wie Ferdinand Avenarius und Knud Ahlborn, die sehr gut in der namhaften Gesellschaft vernetzt waren und beste Beziehungen zu Ämtern pflegten, dass die Unterschutzstellung von Sylter Landschaftsteilen unumgänglich wurde. Sie ahnten, dass sich durch die Festlandsanbindung der sich bereits seit rund sechzig Jahren entwickelnde Tourismus (unterbrochen durch den 1. Weltkrieg) dramatisch beschleunigen würde. Zudem war das Morsum Kliff direkt durch die Bahndammbaustelle bedroht, denn zunächst war geplant, Kies und Sand für den Bau aus dem Kliff zu entnehmen.

Anna-Katarina Wöbse beschreibt in ihrem Buch sehr detailliert, was die Beweggründe, Entwicklungen und Hindernisse zur damaligen Zeit für engagierte Naturschützer wie Ahlborn waren. So gibt sie eine historische Perspektive, die bei kundigen Lesern durchaus Parallelen zum insularen Naturschutz der letzten Jahre wach rufen. „So viel anders war das (die Empörung, die Sisyphosarbeit und die Enttäuschung von Naturschützern) vor 100 Jahren gar nicht!“ könnte der Eindruck sein. Beispielsweise wurde jahrzehntelange Lobbyarbeit die 1922 zur Unterschutzstellung führte, schon wenige Jahre später durch das Naziregime wieder zunichte gemacht, das im zweiten Weltkrieg rücksichtslos sylter Natur militärisch platt machte. Nach dem Krieg mussten Aalborn und seine Mitstreiter erleben, wie ganze Teile aus den Schutzgebieten wieder herausgelöst und zur Bebauung frei gegeben wurden.
Als Naturhistorikerin lässt Wöbse aber auch nicht aus, dass nicht alles Gold war, was die Protagonisten des Naturschutzes machten und dachten.
So stellt sie unmissverständlich klar, dass die ersten Vogelkundler selbst arge Naturstörer und -vernichter sein konnten, oder das Knud Ahlborn mit seinem Projekt Klappholttal selbst deutlich in die Landschaftsästhetik, die er schützen wollte eingriff und sich auch nicht zu schade war, seine Naturschutzziele zeitweise mit Hilfe opportunistisch nationalistischer Anbiederei ans NS-Regime voran zu treiben.

Die Zeit der Naturschutzbemühungen bis in die 1970iger Jahre bilden den Schwerpunkt der historischen Betrachtung. Dann geht es recht zügig durch die folgenden Jahrzehnte. So bleibt beispielsweise unerläutert, wie es zur zweiten grossen Unterschutzstellung von sylter Landschaft Mitte der 1970iger Jahre kam und einen historischen Exkurs über die naturschutzpädagogische Entwicklung, die auf Sylt zu einer besonders hohen Dichte von Infozentren und Naturexkursionen mit Hunderttausenden von Besuchern führte, sucht der Leser vergebens.
Dieser Eindruck mag bei mir jedoch auch deshalb entstehen, weil ich selbst die letzten 35 Jahre Naturschutz auf Sylt miterlebt und mitgestaltet habe und daher manches an Schilderungen vermisse, was anderen Lesern gar nicht auffällt.
Dennoch hätte es meines Erachtens dem Werk, um der Vollständigkeit willen, gut getan, noch 20-30 Seiten mehr über die Zeit zwischen 1975 und heute zu ergänzen. Schliesslich wird es ewig dauern, bis die Naturschutzgeschichte weiter geschrieben wird. So vermisse ich ein ausführlicheres Kapitel zur Bedeutung des insularen Naturschutzes für die drei Meeressäugerarten der Insel, vor allem der daraus resultierenden Einrichtung des nur kurz erwähnten Walschutzgebietes, das heute einen wichtigen Schutzpuffer zur offenen Nordseeseite von Sylt bildet und beispielsweise Offshore-Industrie auf Abstand hält. Auch der „Naturschutzkampf“ um den Nationalpark Wattenmeer, um das NSG Hörnum Odde, das Sylter Aussen-Riff, und die neusten Entwicklungen, die von der BI Merret reicht´s thematisiert werden, sind meines Erachtens nicht hinreichend in das Werk eingegangen, wenn es den Anspruch verfolgt 100 Jahre Naturschutz auf Sylt abzubilden. Ein Ausblick in die Zukunft des insularen Naturschutzes wäre ebenfalls noch sehr anregend für Leser und vor allem zukünftige Natur-Schützer gewesen.

Alles in allem ein gelungenes, gut lesbares Werk, das seinen dauerhaften Platz in den Regalen Sylter Naturfreunde und ihrer Kritiker einnehmen wird.

Lothar Koch

Sylt- die fragile Schönheit.
100 Jahre Naturschutz

Eine Inselgeschichte
von Anna Katharina Wöbse
KJM Buchverlag GmbH & Co KG 2023
ISBN:978-3-96194-207-7
22,00 Euro


Sylter Südspitze: Das Ende ist nah!

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Blick auf die südlichste Restdüne der Inselspitze

Hörnum, 14.11.2015

Das südliche Ende von Sylt rückt leider immer näher an den Ort Hörnum heran. Nicht nur

 

Ostseite des NSG Odde

Ostseite des NSG Odde

für Naturliebhaber  ist es ein trauriger Anblick mit anzuschauen, wie täglich Wellen gegen den ungeschützten, westlichen Dünenfuß spülen und von Oben der Sand und Heidepflanzen nachrutschen.

An dem heutigen Starkwindtag (von Sturm konnte noch keine Rede sein) hat der äusserste Inselzipfel wieder stark gelitten. Die knapp 200 m Strecke zwischen der äussersten Spitze mit der südlichsten Düne und der noch zusammenhängenden Braun-und Graudünenfläche des Naturschutzgebietes wurde zeitweise vom Wasser komplett

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Odde, Westseite

überspült. Der Restinselzipfel wurde abgeschnitten und weiter zermahlen. „Mehr als zwei, drei Stürme gebe ich der äußersten Odde-Düne nicht mehr“, so Biologe Lothar Koch, der das Gebiet seit 1987 beobachtet. Damals verlief der Strand geschätzt Hundert Meter weiter westlich und die Odde war sicher einen guten Kilometer länger. Wir brauchten zwei Stunden, um sie vom Ort Hörnum aus zu umrunden. Heute ist das ein Spaziergang von maximal einer knappen Stunde geworden“.

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Wassereinbruch von Westen her

Von Westen her spülen die Brecher Holz, Pflanzenmaterial und jede Menge Plastikmüll ins Naturschutzgebiet. Der Salzwassereinbruch lässt die Heide absterben und die nächsten Hochwassermassen haben noch leichteres Spiel.

Das zuständige Küstenschutzamt scheint das Naturschutzgebiet aufgegeben zu haben. Auch von einer Besucherlenkung durch den ansässigen Naturschutzverband ist ausser ein paar hilflos aufgestellter Schilder nichts zu sehen. Gegen die Naturgewalten sind alle machtlos. Es gibt wohl keine angemessen bezahlbare Methode mehr, um das Naturschutzgebiet in der Fläche zu erhalten. Mit den voriges Jahr ausgebrachten Beton-Tetrapoden soll lediglich die Siedlung Hörnum geschützt werden. Leider, so sind sich viele Sylter einig, scheint die Tetrapodenkette den Abtrag des Naturschutzgebietes durch Wirbelbildung noch zu beschleunigen.

Für Sylt wird in den kommenden Jahren ein Gang um die Südspitze, eines der beliebtesten Wanderziele von Einheimischen und Touristen, leider immer unattraktiver werden. Es bleibt spannend, wie die Gemeinde und der Landes-Küstenschutz am Ende die südlichste Inselspitze Sylts befestigen wird. Hoffentlich bleibt uns der Einsatz von Beton und Asphalt erspart, wie es bei einigen anderen Nordseeinseln zu sehen ist (zum Beispiel auf der Nordseeinsel Norderney schon vor Jahrzehnten geschehen.).

Lothar Koch

Videos zur Odde-Entwicklung von Kai Klint

An der Südspitze wird´s eng. Bitte an Hochwassertagen nicht umrunden!

Odde Okt.2015

NSG Hörnum Odde am 25.Oktober 2015

Die Südspitze der Insel Sylt wird auchIMG_1680 das „wildeste Stückchen Deutschland“ genannt. Hier toben die Fluten seit Jahren ungebremst um die Dünen, wenn Sturm aus westlichen Richtungen über`s Meer zieht. Für Einwohner und Besucher der Nordseeinsel gehört der Gang um die „Odde“, wie die naturgeschützte Landzunge auch genannt wird, zum Urlaubsprogramm, bzw. zum Wochenende unbedingt dazu.

Spricht man mit älteren Syltern, berichten sie davon, daß ein Neujahrsspaziergang um die Südspitze für Kinder gefühlt eine Tageswanderung war. Heute ist man mit einer guten halben Stunde strammen Fussmarsches einmal rum. Verantwortlich für die drastische Verkürzung des Weges sind drei Faktoren:

– ständige, naturbedingte Erosion durch die Kräfte von Wind und Wellen

– Verstärkung der Erosion durch Tetrapoden, die aus Küstenschutzgründen nördlich der Insel gesetzt wurden, um den besiedelten Bereich des Dorfes zu schützen. Leider geht das jedoch auf Kosten der Substanz im Naturschutzgebiet Hörnum Odde.

– Verstärkung der Erosion durch Fußgänger, die über bewachsene Dünen laufen und so die Dünen noch anfälliger für Wind und Wellen machen.

Während man als Bürger und Besucher der Insel an den ersten beiden Faktoren wenig ausrichten kann, hat man bei Punkt drei selbst die Verantwortung für das eigene Handeln zu tragen.

Deshalb meine Bitte:IMG_1686

Meiden Sie eine Umrundung der Südspitze an Tagen, wo die Wellen direkt bis an den Dünenfuß heranrollen.Dies passiert nur relativ selten im Monat, meist zur Springtide um Voll- und Neumond oder an Starkwindtagen. Leider setzen viele ihren Gang dann auf der Dünenkuppe fort, weil sie keine nassen Füsse bekommen wollen. Es wäre auch nicht ungefährlich, an solchen Tagen unten am Strand entlang zu gehen. Es gibt aber wegen des starken Abbruchs der Odde  keinen offiziellen Weg mehr durch die Dünen. Deshalb geht jeder weitere Schritt über Dünenheide und Strandhafer, eben jenen Gewächsen, die den Abtrag zumindest etwas bremsen. Leider sind die sehr trittempfindlich und ein schnelles Absterben ist die Folge wilder Trampelpfade.

Jeder Wanderer sollte sich also klarmachen, daß ein Weitergehen dann eine Verletzung der Naturschutzgebietsverordnung für das NSG Hörnum Odde ist.

Vielleicht dann doch ein paar Tage später wiederkommen, wenn sich die Fluten zurückgezogen haben.

Mehr Informationen dazu gibt es in der Arche Wattenmeer am Hörnumer Ortseingang.

Lothar Koch