Du bist was du ißt und erlebst- Vortrag im Schulzentrum über Epigenetik
Westerland:
Die SHUG (Schleswig-Holsteinische Universitätsgesellschaft, Sektion Sylt) hatte gestern zu einem Vortrag von Prof. Dr. rer. nat. Ole Ammerpohl aus dem Institut für Humangenetik der Universität Kiel eingeladen. Sein Thema war:
“Wie die Umwelt das Erbgut steuert: Der „Über-Code” der Epigenetik“
Der Wissenschaftler arbeitet in dem relativ neuen biologischen Feld der Epigenetik. Die hat es sich zur Aufgabe gemacht herauszufinden, wie es kommt, daß wir trotz unseres kleinen Genoms (ca. 25000 Gene hat der Mensch, ähnlich viele wie ein Fadenwurm) so kompliziert und hochentwickelt sein können.
Kurz gesagt, liegt es an vielfältigen Zellprozessen, die auf die Gene einwirken. Da gibt es Mechanismen, die beispielsweise Gene an- und abschalten können. Nur wenn ein Gen angeschaltet ist, kann es Proteine herstellen und damit den Körper verändern. Auch gibt es Zellbausteine, die für die “Verpackung“ der Gene zuständig sind. Je nachdem, wie stark die Gene verpackt sind, können sie gut oder schlecht ausgelesen werden.
Diese epigenetischen Prozesse und Bausteine werden stark von Umwelteinflüssen mitgesteuert. Es ist also relevant, was man ißt, atmet, erlebt…
Beispiel: Durch eine Mißbrauchserfahrung im Kindesalter oder anderen emotionalen Schocks kann es zu epigenetischen Störungen kommen, die beispielsweise die Produktion von Hormonen betreffen. Das entsprechende Gen produziert nun vielleicht nicht mehr die richtige Menge eines Hormons und die Person leidet als Erwachsene unter einer psychischen Belastung, die sie wegen der Hormonproduktion im Körper als negative Empfindung spürt. Damit ist es jedoch nicht zu Ende. Die “Verpackung” (Methylisierung) des Gens ist durch den Vorfall dauerhaft verändert und kann in die nächste Generation vererbt werden. Es werden also nicht nur die DNA, sondern es können auch deren “Verpackungen” vererbt werden.
Das Kind dieser Person könnte also ebenfalls diese hormonelle und damit auch die psychische Schwäche aufweisen, obwohl es selbst nie diesen Schock erfahren hat.
Für mich ist das quasi der wissenschaftliche Nachweis für die Gültigkeit eines Satzes, den wir öfter in der Coaching-Arbeit finden: “Du hast das Gefühl von deiner Mutter, oder deinem Vater übernommen”. Das klang immer etwas esoterisch. Nun ist es durch die Epigenetik handfester geworden, daß so etwas möglich ist.
Zweites Beispiel: die Aufnahme von Schwermetallen über Nahrungsmittel können nachweislich die Methylisierungen von Genen stören- eine Krebsentwicklung kann durch das veränderte Genmaterial in Gang gebracht werden. Oder: Die Chemikalie Bisphenol A in Plastikspielzeug wirkt sich auf die Verpackung von Genen aus, die geschlechtsbestimmend wirken- Babies, die oft an solchem Spielzeug nuckeln, können in der Beziehung Fehlentwicklungen zeigen.
Die gute Nachricht: Man kann an den Verpackungen etwas ändern. Einfachstes Beispiel: die Forscher konnten nachweisen, daß sich die Methylisierungen von Genen eines Rauchers, die stark “löchrig” wirken, nach etwa zehn Jahren Abstinenz wieder den ursprünglichen Zustand entwickelt hatten.
Da nicht nur Drogen und Nahrung, sondern auch soziale und psychische Verfahren auf die chemischen Verpackungen der Gene einwirken, könnte das eine Erklärung sein, daß Methoden und Anwendungen, die im Rahmen von psychologischenoder heilpraktischen Sitzungen gegeben werden eben auch auf dieser Zellebene etwas klären.
Lothar Koch
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