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Hinterm Horizont geht’s weiter…

Deutsche Industrieplanung und Nordseeschutz jenseits der 12 Seemeilen Grenze

Wenn der Sylter Rettungsschwimmer Steve auf den Windpark Butendiek blickt, der rund 35 km vom Kampener Strand entfernt steht, kann er sich noch gut an die Vibrationen erinnern, die er 2015 an seinem Rettungsstand spürte, als die 80 Windmühlen in den Meeresboden gerammt wurden. 

Butendiek ist der einzige Offshore Windpark, der von Sylt aus sichtbar ist. Er steht an der Grenze zum Unesco Nationalpark Wattenmeer/Walschutzgebiet, direkt in einem Vogel- und Naturschutzgebiet des Bundes.

Auch wenn manche Sylter immer noch innerlich zusammenzucken, wenn sie bei Sonnenuntergang auf die ästhetische Störung am einst makellosen Horizont blicken, haben sich wohl die meisten Insulaner und Gäste an den Anblick gewöhnt.

Man gewöhnt sich an alles- und was ich nicht weiß macht mich nicht heiss. 

Aber gilt das auch für unsere Tierwelt da draussen: die Seehunde, Kegelrobben, Schweinswale und Meeresvögel? Und würden nicht mehr Bürger besorgt um diese Tierarten sein, wenn ihnen bewusst wäre, was für eine gewaltige Industrieplanung da draussen ansteht und zum Teil bereits in vollem Gange ist?
Ja, wir müssen zügig das globale CO2-Problem in den Griff kriegen-aber ist es weise, alles auf eine „Wind-Karte“ zu setzen und damit die Artenvielfalt der Nordsee aufs Spiel zu setzen?

Butendiek ist nur die sichtbare Spitze eines immer grösser geplanten Netzes von Windparks in der deutschen Nordsee und  den Gewässern der Nachbarstaaten. Das Gebiet jenseits der 12 Seemeilen SH-Landesgrenze untersteht Bundesgesetzen und wird seit jeher als „Ausschliessliche Wirtschaftszone“ (AWZ) bezeichnet.

Ein Begriff der geprägt wurde, als selbst Experten noch glaubten, dass unser Hausmeer nichts weiter als ein  physikalischer Wasserkörper vor unserer Küste ist. Gut genug, um Chemieabfälle, Abwasser von Kommunen, Müll von Schiffen, überflüssiges Öl und anderen Unrat, wie zum Beispiel alte Munition und Sprengstoffe darin zu versenken. Natürlich auch bestens geeignet als Wasserstrasse für Tanker, Containerschiffe und als Fischereigrund, Rohstofflieferant für Öl, Gas und Kies sowie Testgebiet des Militärs.

Die Nordsee- von der Müllkippe zum  gut  erforschten Ökosystem

Inzwischen sind rund 50 Jahre vergangen, in denen das Bewusstsein für die Nordseenatur wuchs- der Begriff AWZ ist jedoch geblieben. Seit Mitte der 1980iger Jahre gab es zahlreiche internationale Nordseeschutzkonferenzen. Diese führten zu nationalen und internationalen Abkommen, die die Nordsee als Ökosystem mit allen darin befindlichen Lebewesen schützen sollen. 

Paradoxerweise erlebten Wissenschaft und Naturschutz einen besonderen Zuwachs an Informationen über die Artenvielfalt und  deren Bedürfnissen und Vernetzungen mit dem Aufkommen der Offshore-Windindustrie. Als diese um die Jahrtausendwende begann, erste Parks in bis zu 30 m tiefem Wasser zu planen, war der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer gerade um das erste europäische Walschutzgebiet westlich von Sylt und Amrum erweitert worden und hielt so die Baumassnahmen auf weiten Abstand zur Küste. 

Ab 2001 waren bereits zahlreiche Offshore-Windparks weiter draussen in Planung und für jeden verlangte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie eine  Umweltverträglichkeitsstudie. Die grossen Player der Windindustrie wie EON, RWE, EnBW, Vattenfall und viele andere Investoren mussten also ein Heer von Experten beauftragen, um ein genaues Bild der naturkundlichen und meeresökologischen Rahmenbedingungen festzustellen. 

Ökologen, Ozeanographen, Ornithologen, Meeresbiologen, Walforscher und Robbenexperten sorgen seitdem für eine Fülle von Daten und Erkenntnissen, die inzwischen nachgewiesen haben, dass die Nordsee vor unserer Haustür ein sensibles Netzwerk  vieler gesetzlich geschützter Arten und Biotope ist.

Inzwischen gibt es vermutlich wenige heimische Naturbereiche, die einem so intensiven Monitoring unterzogen werden, wie die  Deutsche Bucht. Mit Schiffen, Flugzeugen, Schalldetektoren, Messgeräten, Bodenrobotern, Infrarot Kameras, Sonaren  u.v.a.m. wird die offene Nordsee im Planungsgebiet der Windenergiefirmen minutiös untersucht. Nicht nur im Auftrag der Industrie selbst, sondern auch seitens der zuständigen deutschen Bundesämter, wissenschaftlichen Institute und Universitäten.

Inzwischen stehen hier 1.306 rund 130 m hohe Windmühlen, gebündelt in 24 Windparks. Einer davon, der besagte Butendiek, sogar in einem ausgewiesenen Vogel- und Naturschutzgebiet. Allein diese Menge führt bereits zu zahlreichen Konflikten mit den zu schützenden Artengruppen Wale, Robben, Seetaucher, Meeresenten und dem Ökosystem der südlichen Nordsee an sich, welches sich durch dynamische Schlick- und Sandböden sowie Sandriffbereiche auszeichnet und ausser dem roten Felsen von Helgoland bis zum Bau der Anlagen fast keine festen Substrate aufwies- und damit auch keine felsenähnlichen Strukturen an denen manövrierunfähige Containerschiffe und Tanker zerschellen könnten.

Wird der Nordseeschutz dem Klimaschutz zum Opfer fallen?

Nun aber, so schallt es ziemlich undifferenziert von nationalen Regierungsbänken, einschliesslich des Grünen Wirtschaftsministers, soll der eigentliche Bauboom da draussen hinter dem Horizont erst richtig losgehen. Und bei den anderen Nordseeanrainerstaaten genauso- wenn nicht noch intensiver.

Bis 2045 will allein Deutschland 70 GW Windstrom in der südlichen Nordsee und deutschen Ostsee erzeugen.Das wären bei heutigem Mühlenstandart rund weitere 14.000 Turbinen. Derzeit existieren rund 1.600 Mühlen in beiden Hausmeeren zusammen, die knapp 7.700 MW produzieren. Inzwischen ist in europäischen Planungspapieren sogar von einem 300 GW-Ausbau allein in der Nordsee die Rede. Das wird die Hausmeere für die kommenden 25 Jahre in eine lärmende Dauerbaustelle verwandeln und hörempfindliche Arten wie Robben und Schweinswale besonders hart treffen. Obwohl inzwischen wesentlich leisere Gründungen von Windmühlen möglich und marktreif sind, bleibt die Schwerindustrie bislang beim lautstarken Einhämmern der WKA-Fundamente. 

Die Naturschutzverbände der Nationalpark-Küste sind alarmiert: „Wir sind sehr besorgt, dass die notwendigen Rahmenbedingungen zum Schutz der Artenvielfalt, insbesondere von Meeressäugern und Seevögeln, angesichts des Krisenmodus auf der Strecke bleiben, wenn die Planung der Bundesregierung im Nordseeraum umgesetzt wird“, sagt Kim Detloff vom NABU-Deutschland. 

„Die im neuen Windenergie-auf-See-Gesetz fixierten 70 GW in der deutschen AWZ sind unseres Erachtens nicht annähernd naturverträglich darzustellen“, ergänzt der Biologe. „Die angedachten 300 GW  stellen für uns  sämtliche bisherigen staatlichen naturschutzpolitischen Ziele des Nordseeraumes in Frage. Vor dem Hintergrund, dass aktuell ein LNG-Terminal in den Ostsee-Nationalpark Jasmund bei Rügen genehmigt wurde, befürchten wir nun auch weitere Entwertungen der Meeresschutzgebiete in der Nordsee.“

Dabei steht schon jetzt ein Drittel der Arten in Nord- und Ostsee auf der Roten Liste und internationale Abkommen sowie europäische Richtlinien geben vor, was längst zu tun wäre. Aber statt die Meeresschutzgebiete wirkungsvoll vor Nutzungen zu schützen und optimal auszustatten, sollen nun Umweltstandards weiter aufgeweicht werden.  Wir sägen am eigenen Ast. Das aus dem Weg räumen des Naturschutzes zur Beschleunigung von erneuerbaren Energien wird für nachfolgende Generationen sehr teuer werden. Völlig ignoriert werden die Leistungen natürlicher Kohlenstoffsenken im Meer.

Naturschutzverbände und Wissenschaftler schlagen Alarm

Der NABU hat eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben die nach dem Ampel-Prinzip die Flächen der AWZ hinsichtlich der Naturverträglichkeit von Windparks bewertet. Mit viel „Bauchschmerzen“ bleibt bestenfalls ein  schmaler, grüner Streifen der AWZ zur Energieerzeugung übrig (s.Karte, Bericht). 

Die Studie verdeutlicht, dass die Vorstellung davon, dass am Reissbrett abgezirkelte Schutzgebietsgrenzen ausreichen, um die Populationen bedrohter Tierarten zu sichern eine falsche Hoffnung weckt. Vielmehr handelt es sich bei den Schutzgütern überwiegend um wandernde Arten, die unterschiedliche Aufenthaltsorte im Jahres- und Lebenszyklus nutzen und dazu barrierefreie, ungestörte  Wanderkorridore zwischen den von Ihnen benötigten Biotopen brauchen.

Auch die Meeres-Wissenschaftler schlagen Alarm angesichts des europaweit proklamierten Offshore-Windkraftbooms. Im September 2023 trafen sich rund 200 von Ihnen zu einer Konferenz in Stralsund, die vom Bundesamt für Naturschutz organisiert wurde. Deren Fazit wurde in 52 detaillierten Aktions-Punkten zusammengefasst, die helfen könnten, trotz eines weiteren, sanften Ausbaus der Windenergie, die Artenvielfalt in Nord-und Ostsee zu erhalten.

Das generelle Fazit lautet:

  • Mehr Meeresschutzgebiete ausweisen in denen die Biodiversitätsstrategie der EU wirklich Anwendung findet, wobei 30% der Fläche unter Schutz und 10 % unter strengem Schutz stehen sollte (Null-Nutzung).
  • nur einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie genehmigen und
  • dringend die Effekte der Fischerei auf das Meeresökosystem vermindern, wie etwa umweltschädliche Fangmethoden wie Grundschleppnetze langfristig in besonders sensiblen Gebieten zu verbieten

Was ist zu tun? Wer macht es?

Wenn auch sehr spät, haben  Naturschützer und Meereswissenschaftler nun ausreichend detaillierte Vorschläge und Forderungen auf den Tisch gelegt, um den Ausbau der Windkraft auf See in Deutschland in naturverträgliche Bahnen zu lenken. Angesichts der des gewaltigen Zeitdrucks, der seitens der Politik und verschiedener Interessengruppen zum Thema Klimaschutz aufgebaut wird ist jedoch kaum damit zu rechnen, dass diese noch rechtzeitig und voll umfassend umgesetzt werden.
Dabei ist es einfach unklug  und alles andere als nachhaltig, die Klimakrise gegen die Biodiversitätskrise auszuspielen. 

Wer aber wird die Forderungen umsetzen? In der Politik sieht es in dieser Hinsicht magerer denn je aus, seit die Grünen sich zur Speerspitze des technologischen Klimaschutzes erklärt haben. Viele hoffen auf die Grüne Umweltministerin Steffi Lemke, die der Meeresnatur stets verbunden war und seit je her eine den Meeresschutz stärkende Position vertritt – aber wird sie sich gegen den Klima- & Wirtschaftsminister Habeck aus der eigenen Partei durchsetzen können?

Einladung zu neuem Denken: AWZ wird MWZ

Ein erster symbolischer Schritt könnte die Umbenennung der „Ausschliesslichen Wirtschaftszone (AWZ)“ in „Marine Wildnis Zone (MWZ)“ sein. Manchmal können so kleine verbale Veränderung ein grundsätzliches Umdenken initiieren. Und genau das ist wohl nötig um aus dem Dilemma Klimaschutz versus Naturschutz herauszukommen. Es braucht ein neues Denken, einen  grundsätzlichen Systemwechsel der zu Energieeinsparung und breiter, landesweiter Diversifizierung alternativer Energien führt. Weg von Gigantomanie an einem Ort hin zu kleineren Lösungen überall. Denn frei nach Einstein können Probleme bekanntlich nicht mittels derselben Denkweisen gelöst werden, die diese Probleme ursprünglich entstehen liessen.

Sylt sucht seine Linie

Nach jahrelanger Stagnation in Politik und Wirtschaft hinsichtlich der Überlebensfragen der Insel, scheint nun etwas Bewegung in die insulare Diskussion zu kommen. Corona sei Dank, muss man da wohl leider sagen, denn die viel wichtigere Klimafrage hatte das bis zum Jahresende 2019 nicht geschafft- der virusbedingte Shutdown schon. Inzwischen hat sich mit der Bürgerinitiative „Merret reicht´s“ ein neues „Druckpotential“ aufgebaut, das mit überwiegend frischen Gesichtern, guter insularer Vernetzung und scharfem Sachverstand, sowie großer Bereitschaft, etwas ändern zu wollen, festgefahrene Strukturen aufscheucht. Dass soll diejenigen nicht abwerten, die seit Jahren für eben dieses Ansinnen bekannt sind und Wegbereiter waren und immer noch sind, für diese bislang immer noch zu kleine Welle der Veränderung. Gebraucht werden jetzt sicherlich alle, die etwas bewegen wollen, ob die altbekannten Stakeholder aus der grünen Natur- und Umweltszene, oder neue entrüstete Sylter BürgerInnen.

Was läuft in Sachen  Inselklima?

Immerhin hatte es die Klimaschutz -Diskussion samt Großdemo in Westerland geschafft, vergangenes Jahr eine hauptamtliche Stelle für eine Klimamanagerin durchzudrücken. Catharina Beyerlein ist nun fast ein Jahr im Amt. Auch wenn bislang kaum etwas von ihr an die Öffentlichkeit dringt, versichert sie, bis über beide Ohren in Arbeit zu stecken- und die sieht bislang eher strukturell aus. Die Klimamanagerin will einen breiten insularen Dialog zu Mobilität, Tourismus, Energie und Nachhaltigkeit anschieben. Dazu hat sie mit Hilfe einer Agentur einen Plan entwickelt, dessen komplizierten Wege darzustellen, hier zu weit führen würde, zumal kurz nach der Veröffentlichung ihrer Pläne Moritz Luft, der Geschäftsführer der Sylt Marketing, verlauten liess, mit einem eigenen Zukunftsforum zu Mobilität und Tourismus aufzuwarten, das Teile des Beyerlein-Konzeptes schlucken würde.

Auch ist die Klimamanagerin dabei eine Ausschreibung für eine externe Firma vorzubereiten, die das Klimakonzept Sylt aus 2011 auf einen aktuellen Stand bringen soll. Darin sollen dann vernünftige und praktisch umsetzbar Vorschläge stehen- man darf gespannt sein. Es wird jedoch noch ein Jahr bis zur Fertigstellung dauern. Weiter ist Frau Beyerlein inzwischen mit dem ihr vom Landschaftszweckverband aufgetragenen Job, etwas Plakatives gegen die Zigarettenkippen am Strand zu unternehmen. Da ist sie in Kontakt mit Firmen, die Kippen zu Aschenbecher  recyceln. Das ganze soll natürlich vor allem Bewusstsein schaffen seine Glimmstängel nicht mehr in die Gegend zu werfen und das findet mehr Anklang, wenn noch etwas „Vernünftiges“ aus dem Abfall gemacht werden kann. Bei den Sammelstationen für Strandmüll (immerhin über 600 Tonnen pro Jahr auf Sylt), die auch von Gästen genutzt werden könnten, beisst sie bei den BürgermeisterInnen, die ihre Vorgesetzten sind, leider noch auf Granit: Die meinen, Gäste würden erwarten, dass die Strandreinigung ausschliesslich von den Gemeinden durchgeführt werden müsste. Dabei gibt es auf zahlreichen anderen Nordseeinseln längst das Prinzip der Strandmüllboxen, das Gäste und Einheimische begeistert annehmen, in dem Wissen, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Inwieweit es Plastikvermeidung in den zahlreichen Geschäften der Insel geben wird, um das Müllproblem zu minimieren, wird sich dann wohl am Ende des „breiten Diskussionsprozesses“ zeigen, der bislang ohne konkrete Zeitschiene daher kommt.

Themenwechsel: Sylt sucht (k)einen BürgermeisterIn.

Kaum war die Anzeige  bundesweit raus, dass für die Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr BewerberInnen gesucht werden, schoss die Sylter CDU im Husarenstreich eine alte Idee aus der Schublade: Wozu brauchen wir so was? Lasst uns doch ein Amtsmodell machen. Amtsmodell bedeutet, dass ein Amtsdirektor für alle Inselgemeinden eingestellt wird, der für eine gute Verwaltung sorgt. Damit hätten die einzelnen BürgermeisterInnen jedoch weniger Handlungsspielraum  und wären eher für repräsentative Aufgaben zuständig. Hört sich nach sinnvoller Einsparung und insularem Zusammenschluss an. Ist nur leider nicht mehr so bürgernah wie die Bürgermeisterwahl, die vom Volk ausgeht, weil der Amtsdirektor von den BürgermeisterInnen eingestellt wird und die gewählten VertreterInnen der Selbstverwaltungen dann noch weniger Einfluss auf die Amtsgeschäfte haben werden, als derzeit. Eine echte Fusion, wie sie nach wie vor von jenen angestrebt wird, die sich nicht mit Kirchturmdenken identifizieren, sondern sich als „Sylter“ verstehen, wäre das nicht. Der Einfluss von bestimmten Lobbyisten könnte auf so eine Amtsverwaltung eventuell noch grösser als bisher werden. Dabei wäre eine demokratisch legitimierte insulare Zusammenarbeit so dringend notwendig, um viele Probleme zu klären:

Raumordnung, Planung und insulare Zusammenarbeit

Sylt verramscht inzwischen seine Naturschutzgebiete bei Ebay.

Beispielsweise den seitens des Landes aktuell vorgelegten Raumordnungsvertrag. Derzeit entscheidet jede Gemeinde einzeln über das wichtige Vertragswerk, das die zukünftige Bebauung zum Vermehren von Dauerwohnraum regeln soll. Da stecken die Fragen im Detail fest, die in einer offenen gesamtinsularen Runde sicher geklärt werden könnten, wenn alle das Wohl der Gesamtinsel im Auge hätten. Das Land versucht derzeit mit Teillösungen und Fristsetzungen Entscheidungsdruck aufzubauen. Warum sie das machen, ist unklar- aber die Frage ist legitim, ob Interessen von Investoren beteiligt sind, die gern auf Landesebene Strippen ziehen. Auf keinen Fall darf das Dauerargument „Wir brauchen Wohnraum“ zu mehr Versiegelung von Naturraum führen und auch nicht zu einer schleichenden Vermehrung von Gästebetten.

Gut zehn Jahre nach der insularen Teilfusion ist leider keine Bereitschaft abzusehen, diese wirklich zu einem Gesamt-Schulterschluss aller Inselgemeinden werden zu lassen. Im Gegenteil, die Spannungen zwischen den Akteuren haben sich eher verschärft. Wenn es das Amtsmodell auch nicht sein soll- was käme dann in Frage? Roland Klockenhoff von den Grünen schlägt einen  fest institutionalisierten Planungsverband vor, der sich neben der Wohnproblematik mit weiteren drängende Fragen beschäftigt und gesamtinsulare Lösungen erarbeitet.

Dabei wäre die Hilfestellung der Landesplanung gefragt.

Themen des Verbandes wären beispielsweise:

1. Tourismuskonzept, weg von Quantität, hin zu nachhaltiger Qualität 

2. Mobilitätskonzept unter besonderer Berücksichtigung von ÖPNV,Radwegeausbau, Flugverkehr und Häfen.

3.Altenpflege mit genügend Kapazitäten für Sylter

4.Sylter Archiv Modernisierung und Erhalt

u.v.a.m.

Lothar Koch

Kein Autostop in Westerland City?

Es sollte ein Testversuch werden: Für 3 Monate wollten Gemeindevertreter von CDU und Grüne versuchsweise die Elisabethstrasse in Westerland autofrei machen und zum entspannten Bummeln freigeben (ausgenommen Anlieger und Lieferverkehr). Im Herbst sollte dann Bilanz gezogen werden, ob sich das Projekt lohnenswert für Mensch, Umwelt und auch Läden ausgewirkt hätte. Doch daraus wird wohl erstmal nichts. Die Ankündigung in der Presse sorgte wie auf Knopfdruck sofort für massiven Widerstand bei vielen Geschäftsinhabern entlang der Strasse.

Die Elisabethstrasse ist eine Querverbindung zwischen den beiden bekannten Fußgängerzonen Strandstrasse und Friedrichstraße. Es wäre also für Hunderttausende von bummelnden Urlaubern und Einheimischen, die hier im Sommer Zeit verbringen, ein Rundgang entstanden, bei dem niemand hätte auf Kraftfahrzeuge achten müssen. Wie aus vielen anderen Städten Deutschlands bekannt ist, die autofreie Zonen geschaffen haben, hätte das sehr wahrscheinlich die Umsätze der Läden und Restaurants in dieser Strasse erhöht, weil entspanntes Bummeln eher zum Shoppen führt.

Dass die Anlieger sich nun dagegen so vehement wehren, hat etwas Reflexartiges gegenüber jeder Veränderung, die für Westerland vorgeschlagen wird. Eventuell kommt auch die verständliche Anspannung hinzu, die derzeit durch die Corona-Schliessungen bei den Unternehmern entstand.

Maria Andresen von den Sylter Grünen erinnert sich: „Als damals der Autoverkehr für die Friedrich- und Strandstrasse eingestellt wurde, gab es ähnliche Proteste. Heute will kein Ladenbesitzer in diesen Strassen, dass dort wieder Autos fahren. Die Umsätze stiegen hier seit der Zeit um ein Vielfaches“.

Gerade in diesem Sommer hätte sich so eine Massnahme sicher gelohnt, da mehr Stellfläche im Aussenbereich für Restaurants entstanden wäre. Gut um die Abstands-Auflagen zum Coronaschutz einzuhalten.

Noch ist das letzte Wort über die Massnahme nicht gesprochen. Das Projekt soll jetzt erstmal im Umweltausschuss besprochen werden. Anlieger sollen gehört werden. Dann wird sich herausstellen, ob von den Bemühungen und Erkenntnissen zum Klimaschutz, die vor Corona in aller Munde waren noch etwas übrig ist.

NaturReporter Sylt im langen Interview bei Sylt1 zur Entwicklung der Insel nach der Corona Krise


Bitte folgen Sie diesem Link zum Video:

https://www.sylt1.tv/mediathek/die-zukunft-der-insel-sylt/

Flughafengesellschaft Sylt betreibt GREENWASHING

Nachhaltigkeits- und Klimaschutzanspruch des Sylt-Tourismus bleibt weiter unglaubwürdig

Erst vorigen Monat stellte das NIT-Tourismusforschungsinstitut zusammen mit etlichen bekannten Umweltorganisationen in einer Studie fest: „Nachhaltigkeit im Sylt Tourismus ist deutlich ausbaufähig.

Trotz erkennbarer Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit bei einigen Projekten der Sylt Marketing Agentur, werden auf der Insel leider auch immer wieder Aktivitäten unternommen, die einen gegenteiligen Effekt haben.
Aktuell ist es die Werbung der Sylter Flughafengesellschaft auf den öffentlichen Litfaßsäulen-Säulen des ISTS (Tourismus Westerland) in Sylter Strassen. Dort hängen Plakate aus, die für eine Anreise mit dem Flugzeug nach Sylt werben. Darunter auch solche, die mit den Mitteln der Statistik der Bevölkerung vorgaukelt, dass Fliegen besonders wenig klimaschädlich sei.

Flugwerbung neben Vortragswerbung zu Orkanschäden auf Sylt- so widersprüchlich werben Sylter Tourismusbetriebe

 Die Gemeinde Sylt und der Landschaftszweckverband haben sich in der Vergangenheit mehrfach für eine nachhaltige Entwicklung des Sylter Fremdenverkehrs ausgesprochen.  

 Insofern empfinden es Parteien, wie Bündnis 90/Die Grünen-Insel Sylt und die Umweltverbände als Missachtung der Nachhaltigkeits-Beschlüsse der demokratischen Gremien und als einen Affront, wenn Betriebe wie die Flughafengesellschaft und der ISTS auf diese Weise in den Strassen Sylts Werbung bringen, die ein Erreichen der Klimaziele der Insel, des Bundes und des Pariser Abkommens eher bremsen, als unterstützen.

Das Plakat stellt anhand von globalen Zahlen dar, dass der Flugbetrieb in Deutschland nur 0,3 Prozent der CO2 Emission verursachen würde. Damit soll suggeriert werden, dass die Nutzung eines Flugzeuges zur Anreise nach Sylt kein Problem hinsichtlich der Klimaschädlichkeit darstelle und der umweltfreundlichste Weg sei. Dies kann als „Greenwashing“ bezeichnet werden, also den Versuch „grüner und umweltfreundlicher zu scheinen, als man ist. Das Plakat vergleicht nämlich nur mit dem Autoverkehr. Die Bahnoption wird wohlweislich weggelassen. Die Urheber des Plakates bedienen sich dabei eines statistischen Tricks. Absolut mag der Wert von 0,3 % stimmen. Das liegt einzig daran, dass die Zahl der Reisenden, die bundesweit ein Flugzeug nutzen im Vergleich zur Zahl der Autofahrer eben doch noch sehr niedrig ist.

Flugwerbung mit manipulativer Statistik neben Werbung für Naturführungen zur Wattvogelwelt am Nationalpark

 Je mehr Menschen fliegen würden, um so schlechter würde diese Bilanz jedoch ausfallen, da auf die Strecke pro Kopf gerechnet, das Flugzeug erheblich klimaschädlicher als die Bahn ist. Deswegen ist es nicht nachhaltig, für die Anreise mit dem Flugzeug zu werben.

 Zum Beispiel liegt nach Berechnungen der Deutschen Bahn der CO2 Verbrauch eines Reisenden von München nach Westerland  mit dem Zug bei 12,9 kg CO2 (die Dieselwerte und Zugtypen auf der Strecke Itzehoe-Westerland sind beachtet). 

Für eine Reisende auf der gleichen Strecke fallen im Flugzeug 140,3 kg CO2 an. Dieser Wert muss jedoch noch mit dem Wirkfaktor 2-3 multipliziert werden, da sich die Freisetzung von Treibhausgase in grösserer Höhe klimaschädlicher auswirken, als am Boden. Das bedeutet, dass ein Reisender welcher mit einem Airbus von München nach Sylt fliegt eine rund 20 bis 30 – fache Klimaschädigung verursacht gegenüber einem Reisenden der die Bahn nutzt. Auch bei Flugzeugen mit Propeller (Dash), wie sie auf der Strecke von Düsseldorf zum Einsatz kommen fällt die Klimabilanz deutlich besser für die Bahn aus, obwohl dort der Wirkfaktor wegen der geringeren Flughöhe nicht angewendet werden muss. Gegenüber dem Auto schneidet das Fliegen tatsächlich nur mit einem Propellerflugzeug gut ab (Strecke Düsseldorf).

Vergleich der DB für die Strecke München-Westerland

 Abgesehen von der Missachtung der Nachhaltigkeitsprinzipien  müssen sich die Gemeinden und deren Marketingexperten fragen lassen, ob mit so durchschaubaren statistischen Verdrehungen nicht der gegenteilige Effekt einer guten Inselwerbung geschieht.

Lothar Koch

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