Beiträge

Nonnengansschwärme über Sylt sind ein Geschenk für einen nachhaltigen Natur-Tourismus

Die in Nordeuropa seit Jahren anwachsenden Bestände der Nonnengans sind das Resultat einer der wenigen Erfolgsgeschichten des Naturschutzes.

Foto: Thomas Luther

In den 1950iger Jahren war diese Vogelart, die zwischen dem Brutgebiet in Nordsibirien, dem Wattenmeer und den atlantischen Küsten Westeuropas pendelt, fast zu Tode bejagd worden. Deshalb wurde sie in Europa unter Anhang 1 der Vogelschutzrichtlinie gestellt und ihre Bejagung verboten. 

Zusammen mit ihrer „Schwester“ der dunkelbäuchigen Ringelgans war der Schutz dieser Wildgänse einer der „Motoren“ bei der Einrichtung der Wattenmeer-Nationalparke.

„Das Naturerbe Wattenmeer ist der wichtigste „Trittstein“ für diese Arten auf einem mehrere tausend Kilometer langen ostatlantischen Zugweg. „Unsere Schutzbemühungen hier wirken sich auf die Vögel entlang des gesamten Zugwegs von Sibirien bis Frankreich, England und die Niederlande aus“, sagt der Ornithologe und Rastvogelforscher Klaus Günther von der Schutzstation Wattenmeer. Ein Grund, weshalb der Verein Jordsand die Nonnengans als „Vogel des Jahres 2021“ ausgerufen hat.

Die inzwischen stabil angewachsenen Bestände sind jedoch nicht nur das Ergebnis eines internationalen Schutzprogrammes, sondern auch einer intensivierten Landwirtschaft. Diese bietet mit dem Anbau hochenergetischer Futterpflanzen entlang der Zugroute den Vögeln seit wenigen Jahrzehnten einen reich gedeckten Tisch. Wildtierbestände entwickeln sich von Natur aus in Beziehung zum Nahrungsangebot. Allerdings hat sich die zeitweise steil angestiegene Wachstumskurve der Nonnengans in den letzten Jahren deutlich abflacht.

Aktuelle EU-Gesetze verbieten nach wie vor die Jagd auf die Gänse. Das Land Schleswig-Holstein erlaubt dennoch Vergämungsaktionen, auch mit der Flinte, auf Antrag und auf bestimmten Flächen zu bestimmten Jahreszeiten. Dem wird stattgegeben, wenn Sachkundige die Umstände begutachtet  und besondere Härten für den jeweiligen Landwirt festgestellt haben. Zusätzlich werden Landwirte unter bestimmten Voraussetzungen finanziell entschädigt, wenn sie starke Verluste durch Gänsefrass nachweisen können.

Foto: Thomas Luther

Die Annahme, dass Wiesenvögel besonders unter der steigenden Zahl von rastenden Gänsen leiden würden, kann in Nordfriesland nicht bestätigt werden. Demgegenüber ist offensichtlich, dass ein Schuss oder andere Vergrämungsarten immer alle Vögel vertreiben- auch die seltenen Bodenbrüter, wie Kiebitze und Uferschnepfen. Dass Rinder  wegen des Gänsekotes Durchfall bekommen ist eine unbewiesene Behauptung. Tatsache ist jedoch, dass die Geflügelzucht und Massentierhaltung von Haustieren „Brandbeschleuniger“ von Virusepidemien sein können.

Um das Problem zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu lösen, wird derzeit nach gemeinsam getragenen Lösungen und Kompromissen gesucht, die den Landwirten als auch den Gänsen die Existenz sichert. So wird eine Zonierung an der Westküste Schleswig-Holsteins diskutiert, wo in ausgesprochen landwirtschaftlich genutzten Regionen die Tiere vergrämt werden dürfen. In anderen Gebieten, zum Beispiel überwiegend touristischen Regionen, die oft auch einen hohen Anteil an Grünland aufweisen, sollen sie geduldet werden und die Landwirte dort für Fraßschäden entschädigt werden. 

Sylt würde sicherlich zu den Auffanglagern dieser gefiederten Migranten gehören. Denn Gänseschwärme sind eine Attraktion für jeden, der die nordfriesische Wattenlandschaft liebt- besonders für Urlauber, die wegen der Natur zu uns kommen.

Zu einem nachhaltigen Sylt Tourismus mit Zukunft gehören auch Zug- und Brutvögel, von denen wir seit dem Bau des Eisenbahndammes und der resultierenden Fuchseinwanderung und des Massentourismus immer weniger auf Sylt haben. Sie sollten als lebendiges Geschenk für sanften Naturtourismus begrüsst werden. Vor dem Hintergrund eines weltweiten, massiven Artensterbens müssen wir besonders im Umfeld von Großschutzgebieten wie dem Nationalpark Wattenmeer der Landnutzung durch  Wildtiere absoluten Vorrang vor anderen Interessen geben.

Eine extensive Grün-Landwirtschaft auf Sylt könne bei einem intelligenten Management ohne Flinte durchaus zur Artenvielfalt beitragen. Mit der Schaffung von mehr insularen Grünlandflächen  könnte  also eine Lösungsmöglichkeit für die Belange der Sylter Viehzüchter möglich werden. Leider geht der Trend auf Sylt jedoch eher dahin, jedes Stückchen Inselfläche noch zu bebauen.

Lothar Koch

Seehundsituation im Wattenmeer-bitte nicht verschlimmbessern!

Alle Jahre wieder flammt an der Westküste Schleswig-Holsteins eine Diskussion um den richtigen Umgang mit

Heuler1

Heuler

Seehunden auf. Mal sind es die Fischer (meist die Dänen) die vehement eine Bejagung der sympathischen Meeressäuger fordern, dann sind es wieder, wie im aktuellen Fall, Tierschützer (meist holländische Institutionen, die über deutsche Organisationen oder Einzelpersonen), die Rettungsaktionen für jeden greifbare Robbe fordern.

Um das Thema zu versachlichen, bitte ich um Aufmerksamkeit für die folgenden Zeilen:

 

seal_count_2013

Statistik desTrilateralen Wattenmeersekretariats (NL;D;DK): Seehund-Bestandzählungen im internationalen Wattenmeer

Die groben,wissenschaftlichen Fakten:
Es gibt keine deutschen, dänischen, holländischen Seehunde, sondern eine zusammengehörige, internationale Wattenmeerpopulation zwischen Den Helder und Esbjerg. Für vor anno 1900 wird der Gesamtbestand auf rund 37 000 Tiere in diesem Gebiet geschätzt. Im Jahr 2013 wurden genau 26788 Seehunde hier gezählt. Addiert man statistisch ermittelte Korrekturfaktoren, kommen Wissenschaftler für 2013 auf einen Maximalbestand von 39 400 Seehunde, also etwa so viele, wie vor 1900.

Demgegenüber betrug der im Jahr 1974 gezählte, internationale Bestand nur ca. 4800 Seehunde. Damals Grund genug, die Jagd auf Seehunde gesetzlich auszusetzen, bevor der Bestand unter dem Jagddruck zusammenzubrechen drohte. Diese Schonzeit gilt aus Artenschutzgründen bis heute. Im Jahre 1988 und 2004 gab es zwei spektakuläre Seuchenzüge der Seehundstaupe durch den Bestand (etwa bei einem Menge von rund 12 000 bzw. 21000 Seehunden) die kurzfristig die Zahlen deutlich schrumpfen liessen (s. Diagramm).

Fazit: Es wird deutlich, dass wir im internationalen Wattenmeer derzeit einen relativ natürlichen, grossen Bestand haben, der offenbar der Kapazität dieses Lebensraumes entspricht ( geht man davon aus, dass vor 1900 noch kein sehr grosser Jagddruck herrschte, andernfalls wäre sogar noch Platz für mehr Seehunde). Zweck des Nationalparkes ist es, die natürlichen Bestände zu erlauben und zu erhalten. Dies gelingt offenbar mit der seit 1991umgesetzten, trilateralen Managementstrategie.

Die Diskussion (vereinfacht):

Was sagen die Fischer?
Fischereikreise bringen immer wieder das Argument, der Seehundbestand sei zu groß und liesse zu wenig Fisch für die Fischer über.

Gegenargument: Die Auswirkungen der Seehunde auf die Fischerei sind gering einzuschätzen: Nur ein Viertel ihrer Beute sind fischereilich interessante Arten. Fische über 20 Zentimeter Länge – also in einer Größe, wie sie von Fischern angelandet werden – machen nur 1 Prozent der Seehundnahrung aus. Ein ökologisches Grundgesetzt besagt, dass nicht der Räuber die Beute, sondern die Beute den Bestand des Räubers bestimmt. Gäbe es zu wenig Fisch im Wattenmeer, würde also der Seehundbestand automatisch schrumpfen.

Was sagen die Tierschützer?
Jede Robbe, die am Strand angetroffen wird und Anzeichen von Schwäche zeigt, sollte aus ethischen Gründen geborgen und in einer Aufzuchtstation aufgepäppelt werden. Mit heutiger Tiermedizin und Medikamenten kann fast jede Robbe gerettet werden.

Gegenargument
Die Haltung der Tierschützer ist ehrenwert, aber nur sinnvoll bei stark gefährdeten Beständen, wo jedes Individuum, welches erhalten werden kann, wichtig für den Arterhalt ist. Diese Situation ist bei Seehunden schon lange nicht mehr gegeben. Bei der heutigen Bestandsgrösse, ist es eher riskant, mit Medikamenten aufgepäppelte Tiere in einen Wildbestand zu entlassen, da das natürliche Regulationsgleichgewicht des Bestandes durch Einschleppung von Krankheitserregern und halbdomestizierten Verhaltensweisen geschwächt werden kann. Was ethisch korrekt für das Individuum sein mag, kann gefährlich für den Gesamtbestand der Art werden.

Was sagen die Jäger und viele Einheimische?
Es gibt viel zu viele Seehunde, weil keine natürlichen Feinde mehr da sind. Wenn die Robben nicht bald bejagt werden, gibt es wieder eine Seehundseuche und das schadet unserem Küsten-Image.

Gegenargument: Die bisherigen Seuchen brachen bei weitaus geringeren Bestandszahlen aus. Seehunde liegen stets eng beieinander auf den Ruhebänken, egal wieviel Platz sie haben. Es besteht also kein Platzmangel. Sollte die Kapazität des Lebensraumes für den Gesamtbestand erreicht werden (Nahrungs-/Platzmangel) regelt das ein Säugetierbestand durch Drosselung der Geburtenrate oder Auslese (meist Parasitenbefall schwacher Tiere). Top-Prädatoren, wie Orcas, spielten noch nie eine Rolle bei der Regulierung des natürlichen Wattenmeerbestandes.

Was sagen die Seehundjäger
Es ist besser die Tiere vom Leiden durch einen Fangschuss zu erlösen, als jeden Seehund in die Aufzuchtstation zu bringen. Der Erhalt des Individuums ist zur Zeit für den Gesamtbestand unerheblich. Durch langjährige Erfahrung können wir den Gesundheitszustand einer Robbe gut an äusseren Faktoren beurteilen und eine Entscheidung ohne Tierarzt treffen.

Was sagen die touristischen Gemeinden?
Wir können es uns nicht erlauben, dass täglich irgendwo am Strand ein kranker Seehund verendet. Die Urlauber sind verunsichert, das schadet unserem Image als Fremdenverkehrsgemeinde. Deshalb wollen wir, dass die tote und kranke Tiere schnell vom Strand verschwinden.

Was sagen Naturschützer? (zu denen ich mich zähle)
Wichtig ist es, die natürliche Entwicklung des Bestandes zu gewährleisten. Deswegen sollte weder von Tierschützern noch von Jägern und Fischern nennenswert in den Bestand eingegriffen werden. Wenn Seehunde an Stränden rasten wollen, sollte man ihnen das mit flexiblen Ruhezonen ermöglichen und Störungen fern halten. Offensichtlich kranke Tiere sollten nach Einschätzung erfahrener Seehundjäger fachgerecht getötet werden, wenn dies aus ethischen Gründen vertretbar ist.

Flexible Ruhezone für Kegelrobben in Hörnum

Der Autor mit einem Schild zur Robbenruhezone. Bei rastenden Wildtieren bitte 200 m Abstand halten!

Die Einlieferung in Aufzuchtstationen sollte die Ausnahme bleiben.

Jetzt freue ich mich über Ihre Meinung!

Lothar Koch