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Es ist windstill, fast spiegelglatt liegt die Nordsee vor der dänischen Küste. Langsam tuckern drei Motorboote aus dem Hafen von Esbjerg. Mit an Bord ist Sandra Schöttner. Zuständig für eine der aktuellen Meereskampagnen von Greenpeace.
„Wir werden jetzt ungefähr eine halbe Stunde Überfahrt haben. Unser Schiff, die Arctic Sunrise, liegt im Moment auf Reede. Und dort werden wir auf unsere Taucher treffen, die sich schon vorbereiten auf ihren Tauchgang zu einem der Steine, die wir 2008 dort versenkt haben.“
Tonnenschwere Findlinge vor dem Sylter Außenriff
Draußen auf dem Meer beschleunigen die Motorboote, fahren sanfte Kurven, nähern sich der Arctic Sunrise. 2008 versenkten die Aktivisten der Umweltschutzorganisation zum ersten Mal tonnenschwere Findlinge vor dem Sylter Außenriff. Ein Jahr zuvor hatte die Bundesregierung das Areal zum Schutzgebiet erklärt. Nur Maßnahmen, um diesen Schutz auch umzusetzen, wurden nicht beschlossen, erklärt Sandra Schöttner in ihrem kleinen Büro an Bord der Arctic Sunrise:
„Die Schutzgebiete existieren nur auf dem Papier. Es gibt keinen echten Schutz, keine Reglementierung, es gibt keine Einschränkung für die menschliche Nutzung und es ist alles wie gehabt. Das heißt: Fischereifahrzeuge pflügen durch diese Schutzgebiete. Es gibt weiterhin Sand- und Kiesabbau, es gibt Anträge auf Ölförderung und so weiter.“
Taucher bereiten sich auf der Arctic Sunrise für den Tauchgang vor. (Deutschlandradio/Axel Schröder)
Um in einem kleinen Teil der Nordsee zumindest das Fischen mit sogenannten Grundschleppnetzen zu verhindern, wurden die Findlinge versenkt. Denn genau diese Fischereimethode sei verheerend für die Flora und Fauna der Nordsee, erklärt Robert Marc Lehmann. Er ist Meeresbiologe und einer der Taucher, die Greenpeace für die Untersuchung angeheuert hat.
„Gerade in der Nordsee wird jeder Quadratmeter drei Mal im Jahr umgepflügt. Da wächst nichts und da lebt nichts mehr. Da wird einfach alles permanent weggefangen ohne Rücksicht auf Verluste. Das sollte in einigen Gebieten ein Ende haben. Und das ist ja das Schöne: wenn man damit aufhört, hat man innerhalb von zwei, drei Jahren einen höheren Ertrag außenrum. Es wäre also alles so einfach!“
Fischer fühlen sich in ihrer Existenz bedroht
Den Vorwurf der Fischereiverbände, dass durch die Felsbrocken nun die einzelnen Fischer in ihrer Existenz bedroht seien, weist Greenpeace zurück. Dazu seien die vier Areale, in denen die Steine liegen, viel zu klein.
Die Bojen markieren den ungefähren Standort der Findlinge. (Deutschlandradio/Axel Schörder)
Ende Mai ist die Algenblüte im vollen Gange
Eine halbe Stunde später springen die beiden ersten Taucher in die Nordsee, machen sich auf die Suche nach einem der Findlinge. Sein ungefährer Standort ist – wie der aller anderen 321 Felsbrocken bekannt, eine Boje markiert die Stelle. Das Problem: Ende Mai ist die Algenblüte in der Nordsee in vollem Gange, die Sicht ist schlecht und einige der Findlinge hat der Gezeitenstrom im Laufe der Jahre mit Sedimenten zugedeckt. Eine halbe Stunde lang sind die beiden Taucher auf der Suche, dann geben sie auf. Zurück auf dem Achterdeck der Arctic Sunrise erklären sie, was sie in 30 Meter Tiefe erkundet haben:
„Naja, Freude hat es gemacht. Aber gesehen hat man nichts. Wir hatten doch sehr starke Strömungen und Sichtweiten von zehn bis dreißig Zentimetern optimistisch. Man musste sich so vorgraben im Sand, im Grunde genommen. Wir haben die üblichen Kreise gezogen, geguckt, was so ging. Aber bei der Sicht hebt sich ein Stein ja nicht wirklich ab vom Untergrund.“
Damit doch noch klar wird, wie sich die Flora und Fauna rings um die Findlinge innerhalb der letzten Jahre verändert hat, zeigen Sandra Schöttner von Greenpeace und der Taucher Robert Marc Lehmann auf einem Laptop die Videoaufnahmen, die bei den vorangegangenen Tauchgängen entstanden sind: Hellrosa und weiß schimmern die Seeanemonen, kleine Fische und Krebse verstecken sich im feinen Sand.
„Das, was man hier sieht, sind diese wunderschönen Tentakeln, die diese Seenelken ausmachen. Die strecken ihre Nesselkapseln nach draußen und versuchen dann Tiere und Pflanzen eben einzufangen.“
„Und ist das eigentlich ein seltener Anblick in der Nordsee?“
„Das würde man jetzt so in der Nordsee – also mit der Artenvielfalt – nicht finden. Sondern wirklich nur da, wo es Hartsubstrat gibt. Also da, wo es Siedlungsfläche gibt. Die Tiere brauchen einfach was, wo sie sich dran festhalten können. Wie eben einen Stein, ein Schiffswrack, ein Ponton von einem Windkraftpark, einfach Struktur im Wasser, wo sie sich dran anlagern können und da findet das Leben dann einfach statt und seinen Weg. Und dann ist es eben so schön, wie wir es da gesehen haben. Dann sieht es wirklich so aus wie in einem tropischen Korallenriff!“
Schutzpläne der Bundesregierung
Im Frühjahr hat auch die Bundesregierung erste Pläne für den Schutz des Sylter Außenriffs vorgestellt. Die sehen viel weitgehendere Beschränkungen für die Fischerei in der Nordsee vor. Was davon tatsächlich umgesetzt wird, steht aber noch nicht fest. Denn auch die anderen Anrainerstaaten der Nordsee müssen den Plänen erst noch zustimmen.