Der Sylt-Veggie-Check vor dem Hintergrund der Klimakrise
NaturReporter Sylt-Special zum Klima-Aktionstag 24.4.2020
Dass Fleischproduktion und -konsum ein Motor des Klimawandels ist, hat sich erst vor Kurzem in der Bevölkerung herumgesprochen, obwohl es bereits seit Jahrzehnten bekannt war. Rund 60 kg Fleisch pro Kopf und Jahr berechnen die Statistiker für den Deutschen Konsumenten. Der NaturReporter Sylt wollte es jetzt für die Insel genauer wissen, ob die Klimadiskussion der vergangenen Jahre im insularen Angebot der Gastronomie etwas verändert hat.
Mit Hilfe der Sylt a´ la Carte-Bände aus 2012 und 2019 (Standart-Restaurantführer von Sylt) konnte abgecheckt werden, ob über die Jahre in Sylter Restaurants ein wachsendes Angebot an vegetarisch und veganen Speisen zu verzeichnen war.
Dabei wurden ausschliesslich die Angebote an „Zwischen- und Hauptgerichten“ der in den Bänden veröffentlichten Speisekarten beachtet (also keine Vorspeisen und Snacks). Hintergrund war die Annahme, dass ein Restaurantbesuch in erster Linie nicht unbedingt dem Stillen eines Hungers diene, sondern vielmehr einen kostspieligen Event darstellt, der den Sinn hat, einmal aus dem Alltag auszusteigen und sich köstlich bekochen zu lassen.
„Vegetarier und Veganer, die mit dieser Haltung Essen gehen, wollen sich logischerweise nicht mit einfachen Beilagen oder Standardgerichten (Pasta) abspeisen lassen, sondern ebenso eine Auswahl zwischen kreativen Speisen vorfinden, wie Fleischesser.“ meint Lothar Koch, selbst Vegetarier seit 1984. Dass dies keine Kunst ist, verrät die Schwemme von vegetarischen und veganen Kochbüchern, die in jeder Buchhandlung stehen und mit hunderten ausgefallener, fleischloser Gerichte aufwarten.
Der Vergleich zwischen 2012 und 2019 ist insofern interessant, als dass zwischen diesen Jahren mit den Informationen zur Klimakrise erhebliche Argumente hinzukamen, den Fleischkonsum zu reduzieren. Neben dem Tierwohl, der Massenproduktion von Billigfleisch, diversen Fleischskandalen mit Bakterien und Parasiten, sowie der Erkenntnis, dass Antibiotikaresistenzen durch Fleischkonsum gefördert werden, kam nun noch die Klimaschädlichkeit der Massentierhaltung hinzu.
Frage: „Hat sich dadurch etwas in der Sylter Gastronomie verändert?“
Antwort: Offenbar nur wenig:
Ausgewertet wurden alle 87 abgedruckten Speisekarten in Sylt a´ la Carte 2012 und alle 62 Karten im Band von 2019.
Insgesamt stellten in 2012 42% der Speisekarten mindestens ein fleischloses Gericht ins Angebot. In 2019 stieg der Anteil auf 61 %. Leider waren jedoch von diesen fleischlosen Gerichten in 2019 52% simple Pizza & Pasta-Gerichte. Auf kreativere vegetarische Gerichte entfielen 2019 lediglich 47% der insgesamt relativ wenigen fleischlosen Speisen. Damit hatte sich seit 2012 bei diesen Werten fast nichts geändert.
Acht von 38 Karten aus 2019 boten dem vegetarischen Gast mit einem einzigen fleischlosen Gericht nach dem Prinzip „Friss oder stirb“ keine echte Auswahl an.
Fazit: ein Vegetarier ging 2019 beim Besuch eines Sylter Restaurants in knapp 40 % der Fälle ganz leer aus. Bei den restlichen 61 % der Restaurants fand er/sie in acht Fällen keine echte Auswahl, sondern musste das eine Gericht nehmen, das auf der Karte stand. Bei den restlichen 30 Restaurants mit mehr Auswahl stieg dann die Zahl vegetarischer Gerichte auf magere 2-5 von oft über 20 Haupt- und Zwischengerichten auf einer Speisekarte. Veganer fanden lediglich zwei Restaurants, mit entsprechender Rubrik vor.
Dem würde der Wirt möglicherweise entgegnen, dass er durchaus bereit sei, auf Anfrage etwas Veganes oder Vegetarisches zu zaubern. „Derlei „Extrawürste“ sind jedoch für den vegetarischen Gast eher unangenehm „Man möchte schliesslich selbst wählen, was man isst und besonders in der Gemeinschaft anderer nicht in eine Aussenseiterposition gerückt werden.“
Fazit der Analyse: seit 2012 zeichnet sich eine leichte Verbesserung im Angebot von vegetarischen und veganen Speisen in der Sylter Gastronomie ab. Insgesamt bleibt Sylt angesichts seines Rufes als „Urlaubsdestination mit Top-Gastronomie“ jedoch deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück, Gästen und Einheimischen ein vielfältiges Angebot zu bieten, die vegan oder vegetarisch speisen möchten.
Wäre nicht die Coronakrise der richtige Zeitpunkt darüber nachzudenken, für die Zukunft danach, ein breiteres, gesünderes Angebot an klima-, tier-, und umweltfreundfreundlichen Speisen auf Sylt anzubieten, um auch auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu bleiben?
*Nicht alle Restaurants der Insel sind in den Sylt a´ la Carte Büchern mit kompletten Speisekarten vertreten. Dennoch bilden die Bände einen wesentlichen Teil der anspruchsvolleren Sylter Gastronomie ab. Hinweise auf vegetarische Küche ausserhalb von Speisekarten, konnten um der Vergleichbarkeit willen leider nicht berücksichtigt werden.
Lothar Koch