Gemeinde Kampen orientiert sich bei Strandversorgung an Forderungen des Naturschutzes

Vor gut 1,5 Jahren berichteten wir hier über die Planung der Gemeinde Kampen, eine gastronomische Strandversorgung mit Toilette vor das Rote Kliff zu bauen. Nun ist ein Durchbruch in den Verhandlungen mit dem Natur-und Landschaftschutz gelungen. Die Sylter Rundschau berichtet in ihrer heutigen Ausgabe, dass eine reine Toilettenlösung umgesetzt wird, die optisch quasi unter einer Düne „verschwindet“ und damit keine negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild haben soll.

geplante Strandtoilette Kampen (Hoffmann aus SR)

 

Die Gemeinde Kampen zeigt mit ihrer Entscheidung zur unterirdischen Toilettenanlage, dass auf Sylt landschaftsverträgliche Lösungen beim Bau von Strandversorgungen (und anderswo) notwendig, erwünscht und machbar sind. Statt sich vom Modell „größtmöglicher Profit“ lenken zu lassen, setzt Kampen auf Naturverträglichkeit, Landschaftsästhetik und bestmöglichen Erhalt seiner geologisch herausragenden Schokoladenseite „NSG Rotes Kliff“. Die anspruchsvollen Urlauber des Ortes und jene Sylter mit Sinn für die einmalige Naturlandschaft ihrer Insel werden es dankend zur Kenntnis nehmen. Wenn der tatsächliche Bau am Ende hält ,was nun versprochen wird, setzt Kampen damit Maßstäbe, an denen sich andere Gemeinden in Zukunft messen lassen müssen.

Lothar Koch

Die Venus von Rantum

Vor ein paar Tagen fiel mir nach dem Baden eine kleine unscheinbare Muschelschale im

Lothar Koch mit der Venus von Rantum

Spülsaum meines Rantumer Badestrandes auf. Ich traute meinen Augen fast nicht, aber ich hielt tatsächlich eine kleine Venusmuschel in der Hand.

Ich kann mich nicht erinnern, so eine schon mal auf Sylt gesichtet zu haben. Wenn doch, muss es ewig her sein. Damals auf meiner Heimatinsel Juist war das häufiger der Fall und galt dennoch als relativ seltener Fund. Venusmuschelschalen sind an Nordseestränden fast nur in der fossilen Form zu finden, also Tausende von Jahren alt.  In ganz seltenen Fällen verirrt sich vielleicht mal eine lebende Venus die auf Treibgut haftet in unsere Breiten.

Im Süden kommen Venusmuscheln noch häufig lebend vor und gelten als Delikatesse. Doch die am Nordseestrand zu findenden Schalen sehen anders aus, als die aus der Paella. Sie besitzen zwar die feinen konzentrischen Rippen, die ihnen ein edles Aussehen verleihen, haben aber meist ihren porzellanartigen Glanz verloren. Meist erscheinen sie grau oder bräunlich. Manchmal recht hell mit Farbstreifen, die wie Sonnenstrahlen quer zur Rippung verlaufen.

Aus einer Venus soll die Göttin der Liebe geboren worden sein. (Obwohl diese göttliche Venus auf dem bekannten Ölgemälde von Botticelli einer Jakobsmuschel entsteigt).

Angeblich soll der Name von der Form des Schalenschlosses herrühren, welches von Aussen an den Bauchnabel und von Innen an die Vulva jener göttlichen Frau erinnern soll.Viel Spass beim Muschelsuchen und Finden!

Lothar Koch

Tierischer Beitrag zur Möwendiskussion

Westerländer Raubritter (Archiv: Schutzstation Wattenmeer)

Westerländer Raubritter (Archiv: Schutzstation Wattenmeer)

27.7.2013
Seit einigen Wochen stopft die Sylter Rundschau, wie alle Jahre wieder, ihr Sommerloch mit der leidigen Diskussion, ob man denn nicht irgendetwas gegen die mörderischen Möwen von Westerland machen müsse.

Uns flatterte ein tierischer Leserbrief dazu in die Redaktion:

Scheiss drauf…Krächz, kia,

Die Möwe Jonathan

Ist wohl Zeit, dass ich mich mal zu Wort melde, krächz. Ich bin die Silbermöwe Jonathan

und Sylter in der 150.Generation. Beim Auspicken der Mülltonnen in der Friedrichstrasse hab ich die infamen Artikel in der Sylter Rundschau gegen uns Gefiederte gelesen. Ich hab natürlich gleich auf euer Geschreibsel geschissen. Also mal ehrlich: ohne uns Vögel gäbe es doch gar keine Schreiberlinge- ihr erinnert euch doch wohl, dass das Schreiben nur mittels Federkiel erfunden wurde!?

Glaubt ihr eigentlich immer noch an den dummen Scherz, dass ihr die Krone der Schöpfung seid? Wer hat denn bislang das größte Chaos auf diesem Planeten verursacht? Menschen oder Vögel? Ihr seid es doch, die sich in den letzten Winkel der Welt ausbreitet- und auf dem Weg haltet ihr täglich Millionen meiner Federvieh-Genossen in Konzentrationslagern, um sie barbarisch zu töten und aufzufressen.

Und auf Sylt?: Meine Vorfahren lebten hier ruhig und zufrieden. Zu Tausenden konnten wir in der weiten Dünenlandschaft brüten, bevor ihr anfingt unsere Siedlungsflächen dicht zu pflanzen. Schliesslich habt ihr auch noch die grosse Fuchsbrücke über das Watt gebaut, große Asphaltflächen angelegt und seid in Scharen in die Dünen gewandert. Seitdem blieben uns Bodenbrütern überhaupt keine sicheren Plätze mehr für unsere Küken. Den Bau der hohen Felsformationen an der Westseite, deren Höhlen ihr ja auch bewohnt, haben wir dankbar als Friedensangebot von eurer Seite angenommen- endlich wieder sichere Brutplätze- aber offenbar war das ja wohl gar nicht so gemeint!?

Und dann sollten wir wohl auch noch verhungern? Erst nehmt ihr uns den ganzen Fisch weg, den wir uns früher so mühsam gefischt haben, dann legt ihr für uns große schöne Futterplätze in Munkmarsch an, wo wir uns in den 1960iger Jahren so wohl fühlten und uns über Jahrzehnte wunderbar vermehren konnten- und dann wird plötzlich die Futterkrippe mit den duften Delikatessen dicht gemacht! Wisst ihr eigentlich wieviele von uns deswegen im folgenden Winter verhungert sind?

Gottlob gibt es ja einige unter euch Vertikalwürstchen die uns wohlgesonnen sind und immer etwas anbieten. Erst kürzlich stand doch eine aus eurer Redaktion auf der Promenade und hat mir fünf Minuten Futter hingehalten. Weil sie so ausdauernd war, hab ich ihr schliesslich den Gefallen getan und ihr aus der Hand gefressen. Und schliesslich: ihr nennt eure „schönste Sache der Welt“ nach uns Vögeln- dann seid auch so fair und lasst uns unseren angestammten Lebensraum an Meer und Strand – wir waren hier schliesslich die Ersten!

Eure Möwe Jonathan kia, kia, kiaaaaauuuuaaa

 

 


Robbensterben: Die große Angst vorm toten Meer

Historischer Rückblick vom Hamburger Abendblatt 20.7.2013

Die täglichen Bilder vom Robbensterben führten vor 25 Jahren zur längsten Menschenkette des Nordens. Abendblatt-Redakteurin Irene Jung erinnert daran, was die Aktion bewirkte.

Trotz des bewölkten Himmels ist es ein warmer Sonntag – angenehmes Sylter Strandwetter. Aber nach Baden ist am 24. Juli 1988 nur wenigen zumute. In Westerland stehen Plakate: „Unsere Nordsee – lasst sie leben!“ Gegen 12 Uhr haben sich von List bis Hörnum mehr als 30.000 Menschen – Einheimische und Badegäste – aneinandergereiht. Eine Hubschrauberbesatzung registriert über 38 Kilometer die erste und längste Menschenkette, die Norddeutschland bis dahin gesehen hat.

Pastor Christoph Bornemann hat seinen Gottesdienst an die Westerländer Konzertmuschel verlegt. „Unsere Umwelt ist krank“, predigt er, „immer mehr Menschen leiden an Allergien, Pseudokrupp oder Krebs, und jetzt sterbe nach dem Wald auch das Meer.“ Bornemann mahnt: „Einschnitte und Abstriche an Gewohnheiten sind unumgänglich, wenn wir wollen, dass auch unsere Kinder noch am Strand toben und im Wald spazieren gehen können.“ Auch auf dem Festland sowie auf Föhr gibt es an diesem Sonntag Protestaktionen, auf Amrum bilden Hunderte am Strand den Schriftzug „Rettet unsere Nordsee“. Insgesamt sind mehr als 100.000 Demonstranten unterwegs.

Naturschützer, die Grünen und die engagierte Wenningstedter Bürgermeisterin Klara Enss

Frühgeburt eines Seehundes Vorbote des Seehundsterbens 1988 (Foto S.Menzel)

hatten Flyer verteilt und auch die Sommertouristen zum Mitmachen mobilisiert. „Das war wirklich eine unglaubliche Aktion“, erinnert sich der Biologe Lothar Koch, damals Sprecher der Schutzstation Wattenmeer auf Sylt. „Sogar Bürgermeister, Kurdirektoren und Geschäftsleute nahmen teil. Das war eine neue Qualität. Vorher hatten sie uns Naturschützer immer gedeckelt, wenn wir auf Ölreste oder Plastikmüll am Strand aufmerksam machten. Dann hatte es geheißen, das ist geschäftsschädigend.“

In der Badesaison 1988 aber konnte niemand mehr wegsehen. Schon im April hatte man bei Seehunden in der westlichen  Ostsee und dann auch in der Nordsee vermehrt Fehlgeburten und lebensschwache Jungtiere beobachtet. Anfang Mai waren alle Jungtiere des Jahrgangs gestorben. Mitten in der Saison wurden überall an der Nordseeküste auch ältere verendete Seehunde angespült – im August allein in Schleswig-Holstein 500 pro Woche.“Eine so dramatische Entwicklung hatten weder die Experten noch die Öffentlichkeit bis dahin je erlebt“, sagt Koch. „Die Behörden waren völlig überfordert, zumal es schwierig war, die verseuchten Kadaver zu entsorgen. Das Seehundsterben war über Monate ein Top-Thema bis in die Fernsehnachrichten.“ Später, im Dezember 1988, zeigte eine vorläufige Bilanz: Mehr als 18.000 verendete Seehunde wurden in den Anrainerstaaten registriert, davon 5820 an Schleswig-Holsteins und 1100 an Niedersachsens Nordseeküste. Die rätselhafte Seuche reduzierte den Wattenmeerbestand von Holland, Deutschland und Dänemark um 60 Prozent.

An der Tierärztlichen Hochschule Hannover forschten Wissenschaftler im Sommer fieberhaft nach der Ursache. Ergebnis: Es war das Seehundstaupevirus („phocine distemper virus“, PDV), das die Atmung der Tiere angreift, ihr Immunsystem schwächt und sie innerhalb von zwei Wochen tötet. Mysteriös bleibt bis heute, warum diese Epidemie – wie auch eine weitere im Jahr 2002 mit sogar 21.700 verendeten Seehunden – ausgerechnet auf der dänischen Ostseeinsel Anholt ihren Anfang nahm. Umweltschützer vermuten, das habe mit den dortigen Nerzfarmen zu tun. Virologen halten dagegen, dass in den Nerzbeständen schon seit Langem keine Staupe mehr aufgetreten sei. Weil Seehunde weite Strecken zurücklegen, breitete sich die Epidemie durch Kattegat und Skagerrak schnell in die Nordsee aus.

„Für uns war damals klar, dass die Staupeepidemie mit der Meeresverschmutzung zusammenhängt“, sagt die Goldschmiedin Edda Raspé, 1981 Mitbegründerin der Sylter Grünen. „1980 hatte ein Gutachten für die Bundesregierung schon alles genau beschrieben: die Schadstoffbelastung mit FCKW, Schwermetallen, Quecksilber, PCB, die Folgen für Meeressäuger, Fische, Krabben. Das hat uns die Augen geöffnet.“ In der Nordsee wurden Giftmüll und Dünnsäure verklappt, ölverschmutzte Bilgenwässer und Schlacken abgelassen. 1980 hatte Greenpeace mit spektakulären Aktionen dagegen protestiert und zentnerweise missgebildete Fische vor das Bayer-Werk in Brunsbüttel gekippt. Die 80er wurden zum Jahrzehnt der erbitterten Kämpfe um Umweltschutz, im Meer wie an Land.

Berndt Heydemann, Biologe und Umweltminister im Kabinett von Björn Engholm (SPD), ließ die Kläranlagen des Landes umrüsten. 1990 wurde die Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee verboten. Eine Weile lang hielt die Umweltbegeisterung auch auf Sylt an, Geschäftsleute musterten Lösemittel, PCB- und FCKW-haltige Produkte aus und diskutierten über die Abschaffung von Plastiktüten. Zu einer „Umwelt-Vorzeige-Insel“, wie der örtliche Unternehmerverein damals beteuerte, ist Sylt leider nicht geworden. Immerhin: „Das Seehundsterben war die sichtbare Bestätigung für die rücksichtslose Meeresverschmutzung“, sagt Lothar Koch. „Es hat die ganze Region aktiviert. Ich glaube sogar, ohne die damalige Betroffenheit wären wir mit einigen Umweltstandards nicht da, wo wir heute stehen.“

von Irene Jung, Hamburger Abendblatt

Rote Wolken im Badewasser sind ungefährlich

rosa Wolcken von Noctiluca scintillans

dieser Tage am Sylter Strand spazierengeht, oder bereits zu den Mutigen gehört, die sich angesichts der für Juli recht niedrigen Temperaturen doch schon ins Wasser traut, kann auf rosafarbene „Wolken“ im Wasser treffen, die sich bei ruhiger See (v.a. Ostwindlage) gern in Strandtümpeln und Prielen, oder direkt im Spülsaum bilden.

Dabei handelt es sich um sehr hohe Konzentrationen des einzelligen Dinoflagellates Noctilica scintillans. Die  Panzergeisseltierchen vermehren sich in nährstoffreichem Wasser unter bestimmten Wetterbedingungen besonders schnell und färben ihre Umgebung mit Stoffwechselprodukten rötlich. Durch Strömungen kann es dann geschehen, daß das Plankton an besonders ruhigen Stellen zusammengeschoben wird und das Wasser rosa-milchig eintrübt. Dieses als „Rote Tide“ bekannte Phänomen ist an unserer Küste ungefährlich, da die Stoffwechselprodukte von Noctiluca für den Menschen harmlos sind. In anderen Regionen der Welt werden Rote Tiden von anderen Einzellern hervorgerufen, die durchaus gesundheitliche Schäden hervorrufen können, wenn sie geschluckt werden.

Noctiluca scintillants gehört jedoch zu den besonders beliebten Meeresorganismen an unseren Stränden: schließlich verursachen die faszinierenden Einzeller das berühmte Meeresleuchten, welches an wenigen Sommerabenden nach Sonnenuntergang besonders bei Liebespaaren romantische Gefühle auslöst. Dafür ist es jedoch jetzt noch zu früh: Erstens wird es erst weit nach Mittagnacht so richtig dunkel und Zweitens ist es noch in diesem Jahr noch  viel zu kalt für romantische Nachtbäder mit Meeresflimmern.

Lothar Koch