Wer wird Millionär?- Sechs ringen um das höchste Amt auf Sylt
Die gestrige „Elefantenrunde“ der Kandidaten für das Sylter Bürgermeisteramt fand im Grossen Kursaal Westerland statt und war in vielfacher Hinsicht aufschlussreich.
Die beste Nachricht zuerst: Es versammelten sich fast 800 Bürger im Zuhörersaal. Wer hätte gedacht, dass das politische Interesse unter der Inselbevölkerung doch so groß ist?!
Karsten Kock, der bekannte RSH-Radiomoderator, führte professionell und mit viel Witz durch das über dreistündige Programm, in dem der Souverän, also der gemeine Wähler, alle sechs Kandidaten nochmal hinsichtlich ihrer Spontanität und Persönlichkeit kennenlernen sollte. So ging es also auch weniger um harte, inhaltlich- programmatische Verlautbarungen und Streitkultur, als vielmehr um die persönliche Schwingung jedes einzelnen Kandidaten vor grossem Publikum.
Kock versuchte, nicht nur mit Fragen zur Inselpolitik, sondern auch mit anderen Mitteln die Kandidaten aus der Reserve zu locken. Beispielsweise liess er Zettel ziehen, mit Fragen wie: Wenn Sie ein Tier, eine Blume, ein Gewürz, ein Werkzeug, ein Schreibgerät, eine Fernsehserie, oder eine Farbe wären, was wären Sie dann? Oder: Sie bekommen als Bürgermeister 10 Millionen Euro in die Hand- was machen Sie damit?
Die Antworten und die Art und Weise, wie sie beantwortet wurden, liessen Zwischentöne im allgemeinen Wahlkampfgetöse hör- und sichtbar werden.
So fühlt sich Dr. Gabriele Pauli nach eigener Aussage als Füchsin, während Bernd Reinartz als „mittelscharfer Senf“ daherkommt. Nikolas Häckel findet sich irgendwo zwischen Sonnenblume und Schraubendreher wieder, und Robert Wagner als reich gedeckter Esstisch. Lars Schmidt sieht sich als sturmgepeitschte Öljacke an der Computertastatur und Polizist Markus Balentin identifiziert sich mit „Baywatch“.
Auf die „10 Millionen Frage“ gingen fast alle Antworten in Richtung Rettung der Sylter Geburtenstation und Ankauf von mehr Wohnraum für Sylter. Nur Nicolas Häckel will jeden Cent komplett in die Verwaltung stecken.
Bei mir persönlich kamen die Kandidaten so rüber:
Dr. Gabriele Pauli- die Blenderin: (Fürth) Die Diskrepanz zwischen dem ihr nachgesagten Ruf als kompetente Medienfrau und ihrem tatsächlichen Auftreten, kam mir auch bei dieser dritten Veranstaltung mit ihr, die ich verfolgte, wieder in den Sinn. Bei genauem Zuhören und näherem Hinschauen, bleibt von der scheinbar glanzvollen Politikerin und schlauen Füchsin nicht viel mehr übrig, als sich wiederholende Phrasen und nettes Geplauder. Die in der Presse veröffentlichten, ganz offensichtlich auf „jung“ bearbeiteten Portraitfotos deuten in dieselbe Richtung: Mehr Schein als Sein.
Nikolas Häckel- der Verwalter: (Kronshagen,Sylt) Ein Lächeln wie eine Sonnenblume, ein Denken wie ein Schraubendreher. Er würde die Gemeindeverwaltung straff nach seinem Gusto organisieren- leider ist nichts von kreativen Visionen zu spüren- aber der Mensch (die Bürger) lebt ja bekanntlich nicht vom Brot ( verwaltet werden) allein.
Markus Ballentin- der Farblose: Der Kandidat aus Köln hat gute Absichten und einen interessanten Backround als Stratege aus einer grossen Polizeiorganisation. Auch seine Idee, ein familienorientiertes Gesamtkonzept für Sylt zu erarbeiten, ist nicht verkehrt. Doch für ein Bürgermeisteramt, das auch weit über die Insel strahlen soll, kommt er mir zu farblos rüber. Pluspunkt: er war der Einzige! der das Stichwort Natur-und Umweltschutz konkret erwähnt hat.
Lars Schmidt- der Nervige: Lars Schmidt (Sylt) überraschte durchaus positiv mit seinen wohl durchdachten Thesen zur Inselentwicklung, seinem Sinn für Humor und seiner engagiert kämpferischen Art des Vortrages. Der Mann kann sicher Leuten so lange auf die Nerven gehen, bis er bekommt was er will- und das meine ich gar nicht negativ. Aber genau deshalb gehört er nicht auf den Stuhl des Bürgermeisters, sondern als „Nervling“ in den Gemeinderat.
Robert Wagner- die kämpferische Frohnatur: (Aachen) Wenn er ein Eßtisch wäre, wäre er wohl ein runder Tisch. Keinem der KandidatInnen gelang es so perfekt, die Lacher ganz positiv auf seine Seite zu bringen. Der Aachener Karneval liegt ihm irgendwie im Blut. Er kam sehr authentisch und glaubwürdig rüber. Nicht zuletzt weil er den Mut hatte, vor versammeltem Wahlvolk schonmal, wie einst der regierende Bürgermeister von Berlin, seine homophile Ausrichtung offenzulegen. Er will es jetzt wirklich – das Amt. In Sachen Natur-und Umweltpolitik braucht es noch etwas Nachhilfe. Wagner hat sich freigeschwommen und kommt offenbar an, ohne einer bestimmte Seilschaft auf der Insel Rechenschaft abliefern zu müssen.
Bernd Reinartz- der Besonnene: Der sylter Rechtskanzlei-Mitarbeiter präsentierte sich als ruhiger Verwalter ohne grosses Charisma und eigene Vision. Die Visionssuche will er den Bürgern überlassen. Erfahrung im Führen einer grossen Mitarbeiter-Schaar bringt er nicht mit, dafür aber seinen Fanclub aus der CDU, die ihm dann später sicher „helfen“ werden. Wenn er in Zukunft seinen Senf dazu gibt, wird der allenfalls mittelscharf sein. Grosse Skandale wird es mit ihm nicht geben- aber wahrscheinlich auch keine grossen Würfe.
Mein Fazit: Als Zuhörer hatte ich plötzlich folgende Vision: Karsten Kock macht mit seinem Sender eine vorweihnachtliche Spenden-Aktion unter dem Motto: „10 Millionen für Sylt“.
Mit diesem Geld kaufen wir uns locker alle Kandidaten der Vorstellungs-Runde für die nächsten 18 Jahre zusammen ein. Sie bilden dann ein Bürgermeister-Konsortium aus den unterschiedlichsten Typen. Die müssen sich stets einigen und es kommt am Ende für alle ein guter Kompromiss dabei heraus.
Leider nur eine Vision.
Wenn ich alles, was ich bisher von den KandidatInnen so wahrgenommen habe zusammenlege, hat zur Zeit Robert Wagner leicht die Nase vorn. Er ist hoch engagiert und bürgernah und wahrhaftig. Alt genug, Verantwortung übernehmen zu wollen, jung genug um frischen Wind in die Sylter Politik zu bringen, hat Erfahrung in Verwaltung und Politik gesammelt und bringt Humor mit. Ob er an seiner Aufgabe wachsen würde und bei Zeiten die notwendige Gelassenheit und Würde für das Amt entwickeln könnte, kann nur die Zukunft zeigen.
Lothar Koch
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