Sylt/Westerland
Mit hartem Zahlenmaterial informierte gestern Bürgermeister Nikolas Häckel Gemeindevertreter und Fraktionsmitglieder von sylter Parteien über die sogenannte 40/60 Regelung beim Sylter Häuserbau.
Die Lokalpolitiker hatten darum gebeten, weil in den vergangenen Wochen über die Presse scharfe Kritik von Unternehmern, vor allem Maklern, an dem sylter Vorhaben geübt wurde, in die Planung von Grund-und Hausbesitzern eingreifen zu wollen. Von „schleichender Enteignung“ war die Rede.
Gemeint ist die Planung der sylter Gemeinden (außer Hörnum), in Zukunft den Bau von Zweitwohnungen und Ferienappartements einzuschränken. Es soll dann in vielen Bebauungsgebieten nur noch möglich sein zu bauen, oder umzubauen, wenn ein bestimmter festzusetzender, prozentualer Anteil des Wohngebäudes als Dauerwohnraum genutzt wird.
Die Maßnahme soll die Verödung ganzer Orte bremsen, die bereits weit fortgeschritten ist. Diese Entwicklung ist nicht nur in touristischer Hinsicht bedrohlich, da Gäste im Urlaubsziel gern Dorfleben und Kontakte zu Einheimischen geniessen, sondern auch lähmend für die Funktionsfähigkeit von Feuerwehren, Unternehmen uvam.
Als Beispiele nannte Häckel das Verhältnis von Hauptwohnsitz zu Nebenwohnsitz-Zahlen in verschiedenen Orten(Haupt/Nebenwohnsitz):
List 1.538/961, Kampen 521/905, Wenningstedt 1.463/1.368, Westerland 9.037/1.706, Rantum 486/266, Munkmarsch 100/136, Keitum 886/557, Archsum 232/237, Morsum 1.150/45.
Der Bürgermeister führte aus, daß im Jahr 2011 auf Sylt 40% Dauerwohnungen 23% Zweit- und 36% Ferienappartements gegenüberstanden. Seit 1987 habe sich der Dauerwohnraum auf der Insel faktisch halbiert. Das läge vor allem an den Preissteigerungen für Grundstücke und Häuser. Die Erlöse seien für bebaute Grundstücke um 88% und für unbebaute um 230% gestiegen.
Einheimische können sich daher oft kein Eigenheim mehr leisten und ziehen deshalb ans Festland. Erben können sich angesichts der hohen Werte ihrer Elternhäuser nicht gegenseitig auszahlen, verkaufen ihr Erbe und ziehen dann von der Insel.
Die Gemeinden der Insel haben deshalb bereits Anfang des Jahres beschlossen, den Ausbau von Zweitwohnsitzen zu bremsen, da diese nichts Wesentliches zum insularen Leben beitragen. Von den politischen Gremien wurde der Gemeindeverwaltung ein Handlungsleitfaden übergeben, der die Umsetzung der 40/60 Regelung vorsieht. Um dies zu gewährleisten müssen jedoch zunächst die bestehenden Bebauungspläne analysiert und bewertet werden. Etwa 60 Pläne sind in Arbeit, die von sechs Mitarbeiten des Bauamtes bearbeitet werden. Die gesetzliche Vorgabe besagt, daß nur Zielvorgaben gemacht werden dürfen, die innerhalb von zehn Jahren auch umgesetzt werden können. Beispielsweise wäre die Einführung einer Regelung für 40% Wohnraum in einem derzeit reinen Gewerbegebiet innerhalb von 10 Jahren sehr unwahrscheinlich, in einem reinen Wohngebiet jedoch sehr wahrscheinlich. So kann also durchaus auch eine 20:80, oder 50:50 Regelung stattfinden, je nach Planungsgebiet. Bei ihrem Vorgehen will die Gemeinde nicht in Altbestand, sondern nur in Neuplanungen eingreifen. Nur wer also in Zukunft neu baut, oder drastisch umbaut kann von der Regelung betroffen sein.
„Das ist im Grunde nichts Neues“, so Bürgermeister Häckel. In andern Fremdenverkehrsorten, wie z.B. der Insel Föhr, ist das schon lange Gang und Gäbe. Auch in Keitum wurde das schon seit langem so praktiziert und klaglos hingenommen. Umso erstaunlicher, daß nun die Entrüstung in Teilen der Öffentlichkeit so groß ist. „Wir dürfen uns nicht von Polemik und Halbwahrheiten durchs Dorf treiben lassen“, meint Bürgermeister Häckel. Mit Enteignung habe das rein gar nichts zu tun. Die Gemeinden sind schon immer verpflichtet, Festsetzungen sorgfältig abzuwägen. Alles muß angemessen und verhältnismässig durchgeführt werden. Das öffentliche Interesse muß überwiegen. Das ist bei diesem Thema der Fall. „Es wird sicher eine Phase von Wertverlust geben, aber die würde in Zukunft wegen des Zusammenbruchs von Infrastruktur ohnehin kommen. Wir ziehen das „Tal der Tränen“ nur etwas vor und haben damit die Kontrolle in der Hand“. Gestützt wird die Auffassung durch Rechtsprechungen in anderen Bundesländern. Auch Land und Kreis gehen den Weg mit.Wie die schleswig-holsteinische Gerichtsbarkeit diese Regelung bewertet, ist jedoch noch offen.
Zudem baue die Gemeinde ja auch zusätzlich mit 80 Millionen Euro (die nicht mehr Kultur, Natur, Kitas, Sport, uv.a.m. zur Verfügung stehen) selbst 500 Wohnungen für Einheimische. Die Landesförderung für diese Projekte sei auch an das insulare 40/60-Konzept gebunden. Würde das wieder gekippt, würde die Insel sehr viel Fördergelder verlieren, so der Bürgermeister.
Lothar Koch
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