SYLTOPIA-Kultseller in 2. Auflage frisch ausgepackt! Interview zum Buch!
Interview von Maria Wallbrecht
von Arbeit und Leben Schleswig-Holstein
für das Seminar „Utopia – Insel der idealen Gesellschaft“ 2016 mit Lothar Koch, Buchautor.
Maria Wallbrecht: Lothar, Syltopia spielt auf deiner Heimatinsel Sylt. Welche Zielgruppe spricht es an?
Lothar Koch: Ich denke, das Buch ist sowohl interessant für Syltliebhaber als auch für Leute, die die Insel noch nicht kennen. Die Sylter Entwicklung ist ein Paradebeispiel für die sich zuspitzende Problematik an vielen Ferienorten und letztendlich für die Dynamik in unserer Gesellschaft. Man kann die Geschichte gut auch in die Berge oder an die Ostsee übertragen. Für Sylt-Liebhaber ist es ein Muss, weil ich viele Sylter Angelegenheiten über eine neue Perspektive beleuchte und das Sylt-Erlebnis so hoffentlich viel nachhaltiger wird.
Maria Wallbrecht: Was hat Dich veranlasst, dieses Buch zu schreiben?
Lothar Koch: Die Bürgermeisterwahl für die Gemeinde Sylt im Winter 2014/15. Eine schillernde Ex-CSU Politikerin und Landrätin aus Bayern hatte sich als BGM Kandidatin beworben. Es folgte ein skurriler Wahlkampf.
Sie wollte mit neuen Ideen auftrumpfen. Auf meine Frage an Sie, was Sie denn als erfahrene Landrätin Neues in Sachen Umweltschutz auf Sylt mitbringen wolle, sprach sie begeistert von der Einführung „gelber Säcke“. Da wusste ich, dass mit ihr etwas nicht stimmt:-)
Also dachte ich darüber nach, eine Satire dazu zu schreiben. Aus der Satire wurde das Buch Syltopia, das nur noch satirische Züge aufweist.
Letztendlich floss es mir aus der Feder und wurde zu einem gesellschaftskritischen Buch, in dem ich meine Perspektive auf die Folgen von Tourismus, Ausverkauf und Spekulation zum Ausdruck bringe und Lösungsansätze aufzeige, bzw. zum eigenen Phantasieren und Denken anrege.
Maria Wallbrecht: Wie würdest Du deine Utopie, die Du im Roman für Sylt und letztlich für die ganze Welt entwirfst, zusammenfassen?
Lothar Koch: „RIF”- Rückschritt ist Fortschritt. Bei aller Fortschrittsbegeisterung darf Augenmaß und Vernunft nicht auf der Strecke bleiben. Ferienorte müssen sich besinnen, wozu sie da sind und wie sie ihre Funktion als Erholungsort und Naturparadies erfüllen können und bewahren wollen.
Jeder Fortschritt sollte sich an einer gemeinsam abgestimmten Leitidee orientieren. Für die Ferieninsel Sylt könnte das Motto heißen: „einmalig schöne Naturinsel und heilsamer Genuss“. Daran wäre dann Fortschritt und ggf. erforderlicher Rückschritt zu bemessen, der so wiederum zum Fortschritt für das Leitbild werden könnte.
Um überhaupt ein Leitbild entwickeln zu können, müssten überzogene egozentrische Wünsche einzelner Individuen und Interessengruppen abgebaut werden. Das geht nur durch eine gesellschaftliche Veränderung. Gesellschaften verändern sich, weil Individuen sich verändern. Letztendlich ist also ein Entwicklungsprozess jedes Einzelnen erforderlich, damit sich die Gesellschaft hin zu mehr Achtsamkeit verändert.
Die Sylt-Dynamik ist ein Beispiel für unsere Gesellschaft. „Wie im Kleinen, so im Großen“.
Maria Wallbrecht: Ein Utopie-Roman erträumt eine noch nicht vorhandene, bessere Welt. Was macht Syltopia, neben technologischen Verbesserungen, zu einem solchen Ort?
Lothar Koch: Die Sylter durchlaufen in dem Roman eine innere und äußere Wende. Es kommt zu einer psychologischen Klärung und Transformation. Die alten Triebkräfte von Profitmaximierung, Eigennutz und Ellenbogenmentalität werden zu Gunsten von Gemeinsinn und Achtsamkeit verschoben. Die Gesellschaft besinnt sich auf das, was sie selber nährt, statt nur den reibungslosen Ablauf der Urlaubsmaschinerie im Auge zu haben. Dadurch wird das Leben auf der Insel wieder beschaulicher, nachhaltiger und lebenswerter für alle – Sylter und Gäste. Die Natur wird in jeder Hinsicht als Mitwelt geachtet- auch auf dem Speiseplan. Dadurch entsteht wieder mehr Bezug zu dem Geschenk des Lebens. Fengshui, also die sichtbare Ästhetik der Landschaft wirkt sich psychologisch auf die Achtsamkeit der Bürger aus.
Maria Wallbrecht: Die Syltopianer legen großen Wert auf Bewusstseinsschulung und energetische Verbindungen zum Göttlichen. Inwiefern machen diese Dinge deiner Meinung nach eine bessere Gesellschaft aus?
Lothar Koch: Die Sylter von heute sind dabei ihre Wurzeln zu verlieren oder zu vernachlässigen. Dadurch fehlt es an Gemeinsinn und „Inselspirit“. Die Besinnung auf die Leistungen der Vorfahren bis hin zur Steinzeit bewirkt bei den Syltopianern einen Richtungswechsel im Denken und Handeln. Zu der materialistischen Denke wächst wieder die Verbindung zur Dankbarkeit, Schönheit, Natur, göttlichen Existenz und Mystik. Das Leben wird tiefer und lebenswerter.
Maria Wallbrecht: In Syltopia ist das Entscheidende die Verbesserung des Menschen. Die Veränderung der schlechten Strukturen scheint danach relativ einfach zu sein. Wie könnte dies, nennen wir es „Umdenken weg von Gewinnmaximierung hin zum Wohlergehen aller“ auch ohne (unfreiwilligen) Drogenkonsum gelingen?
Lothar Koch: Die Annahme, dass wir die Gesellschaft verändern können ist ja uralt und hat nicht wirklich Früchte getragen, wie wir jeden Abend in den Nachrichten sehen können. Deshalb glaube ich an den Spruch: „wenn du die Welt verändern willst beginne mit dem Menschen den du jeden Morgen im Spiegel siehst“. Das ist mit den modernen Methoden der humanistischen Psychologie durchaus möglich (s. Human Potential Movement). Man muss es jedoch wollen und sich in einen Prozess der Selbstentwicklung begeben. Die meisten haben Angst davor, ganz persönlich alte Pfade zu verlassen. Im Buch brauchte ich aus dramaturgischen Gründen eine schnelle Wende – das ging nur mit der homöopathischen Droge. In Wirklichkeit ist das ein langsamer Prozess, der leider meist nur durch Leidensdruck in Gang kommt.
Maria Wallbrecht: In deinem Buch machst Du Sylt durch die Sprengung des Hindenburgdammes wieder zu einer richtigen Insel und diese, vernetzt mit anderen Inseln, zur Modellregion für die ganze Welt. Auch andere Utopie-Romane spielen auf Inseln. Hast Du eine Idee warum das so ist? Eignen sich Inseln besonders gut für das Schaffen einer besseren Welt?
Lothar Koch: Eine Insel ist wie ein Reagenzglas. Dort kann auf kleinem Raum mit genau umrissenen Rahmenbedingungen experimentiert werden. Äußere Einflüsse bleiben außen vor. So ist es für den Autor und den Leser einfacher, das utopische Bild einigermaßen nachvollziehbar und realitätsnah mitzugehen.
In Realität ist es auch so. Auf Sylt könnte man tatsächlich Modellprojekte durchführen, die in der Gesamtfläche Deutschlands erstmal zu utopisch wären (z.B. Alternative Verkehrsmittel etc.).
Maria Wallbrecht: Willst du uns Syltbildungsurlaubern etwas mit auf den Weg geben?
Lothar Koch: Diskutiert mit Syltern über Inhalte aus Syltopia. Fragt nach, was von den Beispielen im Buch tatsächlich so gewesen ist und wie sich Eure Vermieter die Zukunft vorstellen. Schreibt an Kurdirektoren, sprecht mit Gastronomen und äußert Eure Bedürfnisse als Gäste, die einem sanften Tourismus den Vorzug geben. Dann könnte Einiges von Syltopia wahr werden.
Maria Wallbrecht: Vielen Dank für das Gespräch!
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