Sylt und Felix Jaehn- zwei Marken laden sich auf

 

Jaehn-DJ-Festival vor Halle 28

Jaehn-DJ-Festival vor Halle 28

Auf Sylt fand laut Tourismusservice gerade das „Top-Event-Wochenende“ statt: Revolverheld und Felix Jaehn – zwei musikalisch angesagte Superstars der aktuellen Szene unmittelbar hintereinander auf der neuen Open Air Bühne an der Halle 28 auf dem alten Fliegerhorst. Sie folgten anderen Stars, wie Anastasia und Max Giesinger, die neben dem umfangreichen und kaum weniger hochrangigen Standardprogramm in den vergangenen 14 Tagen die Insel an anderen Orten  beglückten.

Mir war klar, dass ich zu Felix Jaehn musste: Erstens wollte ich wissen, wie es heutzutage funktioniert im zarten Alter von 24 Jahren zum Musik-Weltstar aufzusteigen, und zweitens interessierte mich die neue Event-Location am Airport, eben da, wo ursprünglich eine Renaturierung von Kriegsbetonflächen geplant war, die aber durch ein Bürgerbegehren für die Halle 28 gestoppt wurde.(s. Artikel in diesem Blog dazu).

Beide Erwartungen wurden erfüllt. Zunächst zu Felix Jaehn: Auf meinem 50-Euro Ticket stand “ Felix Jaehn-DJ-Festival“. Es tritt also keine Band mit Instrumenten auf, sondern lediglich ein DJ, der seinen speziellen Mix mit einer Light- und Konfetti-Show abzieht. Das Konzept lockte an diesem wundervollen Sylt-Wetter-Abend einige Tausend Besucher- für Felix Jaehn und seinen Veranstalter sicher dennoch recht wenig- der junge Weltstar ist grössere Massen gewohnt. Aber sicher ging es um mehr als unmittelbar Kasse zu machen- es ging um das gegenseitige Aufladen von Trademarken®- Felix Jaehn lädt Sylt® auf und Sylt  lädt Felix Jaehn® auf, -soweit der Plan, der von Tourismusdirektor  Peter Douven, zumindest was die insulare Seite angeht, so kommentiert wurde. Jaehn tat sich schwer damit, das Sylter Publikum aufzuladen.  Der Altersschnitt war sehr gemischt- positiv ausgedrückt hätte es ein Fest der Generationen in lauer Sylter Sommernacht werden können-wurde es aber nicht. Jaehn gelang es trotz bester Wetterbedingungen nicht, magische Momente zu erzeugen. Am Ende blieb ihm nur ganz platt übrig, das Publikum direkt verbal anzuleiten und zu steuern, sodass zumindest die Fotos, die es über diesen Event in Zeitungen und social Medias geben wird, tolle Momente und gute Stimmung suggerieren:. Jaehn: „Jetzt mal alle die Arme mit den Handy-Leuchten hoch und so laut schreien wie ihr könnt!“ gesagt, dreht er den Rücken zum Publikum und macht ein Selfie mit der „Crowd“. Das reicht um eine Marke aufzuladen. Es bleibt jedoch ein Rätsel, weshalb man für diese PR des Publikums zugunsten eines Entertainers Eintritt zahlen muss.

es hätte ein schöner Festival Abend werden können-z.B. mit einer guten Rockband...

es hätte ein schöner Festival Abend werden können-z.B. mit einer guten Rockband…

 

Im Moment als Felix Jaehn die Bühne betrat startete hinter dem Publikum gerade eine Lufthansa-Maschine. Zum Konzerthöhepunkt hob eine  Suisse-Air ab, und zum Schluss, als nach 1,5 Stunden Felix Jaehn alle gingen donnerte nochmal eine weitere grosse Düsenmaschine über den Platz- das ist Sylt 2018!

Der Festivalplatz an der Halle 28 ist für solche Events sicher geeignet- als Sylter ist es toll, Konzerte ohne grosse Anreise vor die Haustür zu bekommen. Bedenkt man jedoch den Preis, den der Bürger letztendlich über die Ausgaben der Gemeinde für den Platz samt Halle 28  zahlt, um zwei, drei Grosskonzerte im Jahr herzuholen, kommt man ins Grübeln. Und: Braucht Sylt solche Events wirklich? Ist das die Marke Sylt, die wir aufladen wollen? Hiess es seitens der Touristik nicht, wir seien in der Hauptsaison schon ausreichend ausgelastet und wollen nur noch für die Nebensaison ziehen? Und Tagesgäste, die für solche Konzerte rüberkommen brauchen wir schon gar nicht, oder? (Der eigens engagierte Einheizer rief vor dem Top-Act das Publikum dazu auf, die Petition der SMG für eine zweigleisige Bahnstrecke ab Niebüll zu unterschreiben, denn „ohne Euch (Tagesgäste vom Festland) können wir so etwas nicht wieder machen“.)

 

Lothar Koch

 

 

Trockenheit macht Dünenheide zu schaffen

Rosa Rugosa am vertrocknen

Rosa Rugosa am vertrocknen

Zuerst litten standortfremde Bäume und Rasenflächen auf Sylt unter der Trockenheit. Leuchtet in normalen Sommern der Nössedeich zwischen Tinnum und Morsum in sattem Grün zieht sich dort nach rund vier Monaten Dauersonne ohne nennenswerte Niederschläge ein rotbraunes Gras-Band, auf dem Schafe meist vergeblich nach Fressbarem suchen .In den Dörfern zeigen schon seit Juli etliche Laubbäume nur noch vetrocknete Blätter.

Nun beginnt es jedoch auch für die Dünenvegetation kritisch zu werden, die ja bekanntlich Einiges gewohnt ist: Salz-und Sandstrahlgebläse, Nährstoffarmut und auch Trockenheit sind typische Bedingungen in diesen meernahen Biotopen. Die Heidegewächse haben nur kurze Wurzeln, die nicht ans Grundwasser reichen und daher sind sie darauf angewiesen, dass ihre Rohhumusschicht durch Regenwasser befeuchtet wird.

Meine Bilder zeigen jedoch: Nach der, als besonders widerstandsfähig bekannten Sylt-Rose (Rosa Rugosa), die als Fremdart in die Dünen eingedrungen ist, beginnt nun auch die heimische Krähenbeere zu schwächeln. Besonders an ostwärts gerichteten Dünenkuppen zeigen sich rostbraune Flächen in der sonst tannengrünen Heide. Es ist der heisse Ostwind, der den geschützten Pflanzen, die in der Fläche auch als 1000jährige Heide bezeichnet werden, nun den Rest gibt.

Krähenbeerenheide stirbt flächenhaft ab

Krähenbeerenheide stirbt flächenhaft ab

Müssen wir uns deswegen Sorgen machen? Ich meine nicht. Dürreperioden gehören zum Naturhaushalt und die Dünenheide ist recht überaltert und wegen der jahrelangen Statik, die der Küstenschutz (teilweise unter dem Deckmantel des Naturschutzes) verordnet (Das Betreten der Dünen ist aus Küstenschutzgründen nicht gestattet), ohnehin mürbe geworden. Ein maßvolles Absterben von Heide-Kleinflächen kann zur notwendigen  Verjüngung der Dünen beitragen. Ähnlich wie es durch das Abbrennen der Braderuper/Morsumer Heide künstlich von Menschenhand initiiert wird, vollzieht hier die Natur selbst diesen Schritt.

Dies darf jedoch nicht mit den Problemen feuchter, anmooriger Dünentäler verwechselt werden, die dauerhaft Kontakt zum Grundwasser halten müssen. Wenn die Grundwasserblase durch zu starke Entnahme seitens der Wasserwerke absinkt und die an stehendes Wasser angepassten Dünenmoorpflanzen keine Feuchtigkeit mehr bekommen, sterben die Raritäten weg und mit ihnen eine besonders schützenswerte Fauna, wie z.B. Moorfrösche und Kreuzkröten. Hie ist eine zunehmnde Sorge durchaus angebracht.

Lothar Koch

Schuld ist die Wasserknappheit

Schuld ist mangelnder Niederschlag und heisser Ostwind

Naturschutz auf Sylt, Folge 7: Das NSG Sylter Außenriff

Zeichnung Martin Camm

Zeichnung Martin Camm

In einer Serie stellt die Naturschutzgemeinschaft Sylt und die Söl’ring Foriining das Thema „Natur auf Sylt“ in seiner ganzen Bandbreite in der Sylter Rundschau dar. Erschienene Artikel werden auf natuerlichsylt.net veröffentlicht und archiviert. Es werden Institutionen und Vereine vorgestellt und auch  Menschen, die sich für die Sylter Natur einsetzen. In der sechsten Folge gibt der Diplombiologe Fabian Ritter einen Überblick über den Stand der Dinge beim kürzlich neu eingerichteten NSG Sylter Aussenriff.

Wichtiger Lebensraum & Naturschutzgebiet westlich des Nationalparks SH-Wattenmeer mit dem Walschutzgebiet

von Dipl. Biol. Fabian Ritter, Whale and Dolphin Conservation (WDC)

 

Landseitig ist Sylt vom Nationalpark Wattenmeer begrenzt, der recht strengen Schutz genießt. Seeseitig blicken wir vom Weststrand ebenfalls auf einen Teil des Nationalparks. Dort erstreckt sich auch Deutschlands erstes – und bisher einziges – Walschutzgebiet entlang der gesamten Insel und südlich bis Amrum. Für die heimischen Schweinswale ist es eines der wichtigsten Aufzuchtsgebiete, hier bringen sie jedes Jahr ihre Jungen zu Welt. Weniger bekannt ist jedoch, dass auch die Gewässer außerhalb der 12-Meilen-Zone (und damit in der deutschen „Ausschließlichen Wirtschaftszone“, AWZ) unter Schutz stehen. Das größte deutsche Meeresschutzgebiet der Nordsee „Sylter Außenriff“ schließt sich direkt an das küstennahe Schweinswalschutzgebiet an.

Walschutzgebiet

Befliegungskarte Schweinswale monitoring Sylter Aussenriff 2014-Karte

Ende 2017 wurde das Sylter Außenriff als Naturschutzgebiet gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ausgewiesen. Damit wurde endlich vollzogen, was seit über einem Jahrzehnt in der Entstehung, jedoch immer wieder erheblich verzögert worden war. Denn auf dem Papier besteht das Schutzgebiet schon seit 2007 – es ist Teil eines Schutzgebietsnetzwerkes „Natura2000“ unter der 2004 in Kraft getretenen Flora-Fauna-Habitat (FFH-) Richtlinie der EU in Kraft. Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichteten sich, den Schutz der Lebensräume und Arten in den Natura2000-Gebieten zu gewährleisen und binnen sechs Jahren in nationales Recht umzuwandeln. Doch damit begannen auch die Schwierigkeiten.

Das Sylter Außenriff ist in der Tat ein besonderes Gebiet. Großräumig gibt es hier Steinriffe, die eine Vielzahl von bodennah lebenden Arten beherbergen. Zwischen den Riffen liegen wichtige Habitate für zahlreiche Organismen. Die Amrumbank ist als große Sandbank ein wichtiger Lebensraum für Fische. Die Vielgestaltigkeit dieses Mosaiks führt zu einem Fischreichtum, der wiederum Meeressäuger anzieht. Deshalb konzentrieren sich Schweinswale hier, aber auch Seehunde und Kegelrobben finden gute Bedingungen. Außerdem ist das Sylter Außenriff Nahrungs-, Überwinterungs-, Mauser-, Durchzugs- oder Rastgebiet für diverse Seevogelarten, darunter Seetaucher, Tordalken, Basstölpel, Trottellumme und Dreizehenmöwe.

All diese Charakteristika wurden ins Feld geführt, als es um die Ausweisung des Schutzgebietes ging. Und zu verbessern gibt es in der Tat einiges, denn obwohl es sich um einen Lebensraum von hohem Stellenwert für viele, seltene und bedrohte Arten handelt, ist sein Zustand alles andere als natürlich. Denn überall im Schutzgebiet wird kommerziell gefischt. Die grundberührende Fischerei ist im Sylter Außenriff praktisch flächendeckend verbreitet. Die schweren Geräte der Krabbenkutter hinterlassen mit jedem Fischzug deutliche Spuren der Zerstörung auf dem Meeresboden. Stellnetze tun ihr übriges, in ihnen verfangen sich bekanntermaßen besonders viele Meeressäuger und Seevögel. Zusätzlich trifft man Freizeit- und Stellnetzfischer landwärts, während große Trawler ihre Schleppnetze weiter draußen auf hoher See ausbringen. Wenngleich die Fischerei den größten negativen Effekt auf das Ökosystem hat, ist sie bei weitem nicht die einzige menschliche Nutzung. Die Schifffahrt, der Bau von Windparks, die Suche nach Öl- und Gas und massive militärische Übungen finden im Umfeld sowie innerhalb des Schutzgebietes statt. Unrühmliches Beispiel war zuletzt der Bau des Windparks „Butendiek“, der trotz massiver Störungen von Vögeln und Meeressäugern bis 2015 mitten ins Schutzgebiet gebaut wurde. An Tagen mit guter Sicht kann man die Windräder vom Sylter Weststrand aus in der Ferne sehen. 2015 hat der Windpark seinen Betrieb aufgenommen, und seit mehr als drei Jahren läuft auch eine Klage von Naturschützern gegen die Betriebserlaubnis der 80 Windenergieanlagen.

Aber wie kann es sein, dass all diese Aktivitäten innerhalb eines Naturschutzgebietes stattfinden? An Land würde niemand auf die Idee kommen, Straßen oder Großanlagen in ein Naturschutzgebiet zu bauen, militärische Übungen oder die massenhafte Entnahme von Organismen zu genehmigen. Ein Grund für den mangelnden Schutz im Sylter Außenriff war lange das Fehlen eines Managementplans, der fest legt was im Schutzgebiet erlaubt ist und was nicht. Für das Sylter Außenriff wurde jedoch erst Ende 2017 vom Bundesumweltministerium der Entwurf eines Managementplans vorgestellt. Vorangegangen war eine schier unendlich politische Auseinandersetzung, bei der sich verschiedene Bundesministerien gegenseitig blockierten. Dass auch in Zukunft wirtschaftliche Interessen an vielen Stellen über den Naturschutz gestellt werden, ist den Managementplan-Entwürfen bereits anzusehen. Kaum eine Aktivität soll im Sylter Außenriff per se verboten werden. Windparks, ja sogar der Abbau von Rohstoffen können nach einer Umweltverträglichkeits-prüfung weiterhin genehmigt werden. Hier wird im Vergleich mit Naturschutzgebieten an Land mit unterschiedlichem Maß gemessen.

Thema Schifffahrt: Der viele Verkehr in der Nordsee kreuzt mitten durch das Schutzgebiet, und bringt damit die Gefahr von Müllverschmutzung, Kollisionen mit Meeressäugern und Unterwasserlärm. Insbesondere Schweinswale reagieren sehr empfindlich auf den Lärm, und erst vor kurzem wurde nachgewiesen, dass Schweinswale aufgrund von Schiffslärm weniger effektiv jagen können. Andere Folgen des Lärms sind Stress, Vertreibung und mögliche Effekte auf Populationsebene. Zu bedenken ist stets auch, dass alle Einflüsse kumulativ auf die Meeresorganismen einwirken und synergistische Effekte entstehen können, welche den Gesamtdruck zusätzlich verstärken.

Thema militärische Übungen: Die Bundeswehr darf im Sylter Außenriff heute praktisch alles tun und lassen was sie für notwendig erachtet, auch wenn dadurch die Natur – buchstäblich – unter Beschuss gerät. Manöver, Schießübungen, Tiefflüge, Sonareinsatz, usw. werden auch zukünftig erlaubt bleiben – inmitten der Schutzgebiete und ohne Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Totschlagsargumente „innere Sicherheit“ und „Terrorabwehr“ sorgen dafür, dass es hier bis auf Weiteres keine Einschränkungen geben wird. Immerhin hat die Marine mittlerweile Dialogbereitschaft signalisiert, zukünftig mehr auf Naturschutzaspekte zu achten. Ob das zu wirksamen Veränderungen führen wird, darf jedoch bezweifelt werden.

Thema Fischerei: Da Deutschland aufgrund von EU-Beschlüssen die Aktivitäten der Fischer in der AWZ nicht selbstständig beschränken darf, müssen alle Vorschläge zur Regulierung bestimmter Fangmethoden oder zeitlich-räumliche Begrenzungen mit den EU-Nachbarstaaten abgesprochen werden. So werden bis heute Deutschlands Vorschläge im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik verhandelt. Nun hat die Fischerei in Deutschland eine starke Lobby, die im zuständigen Landwirtschaftsministerium stets auf offene Ohren stößt. Das Ergebnis der Verhandlungen wird aus Sicht des Naturschutzes enttäuschend sein, denn weder wird Fischerei flächendeckend verboten (was für ein Naturschutzgebiet ja durchaus adäquat wäre), noch werden umweltzerstörerische Fangmethoden abgeschafft. Im Gegenteil: je länger die Verhandlungen dauern, desto mehr werden die ursprünglichen Maßnahmen verwässert. Leidtragende sind Schweinswale, Seevögel und viele andere schützenswerte Arten. Leider hat die Bundesregierung hier ihre Chance verspielt, eine Vorreiterrolle im Meeresschutz innerhalb der EU einzunehmen.

Whale and Dolphin Conservation (WDC) setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass Meeresschutzgebiete in Deutschland ihren Namen verdienen. In Kooperation mit anderen Umweltschutzorganisation – darunter auch die Schutzstation Wattenmeer – werden dazu Gespräche mit Entscheidungsträgern gesucht, Kampagnen zur öffentlichen Bildung ins Leben gerufen und fachliche Stellungnahmen verfasst. Ohne diese wichtige Arbeit hätte der Meeresschutz in Deutschland deutlich weniger Gewicht.

Bedauerlicherweise bestehen die Nordsee-Meeresschutzgebiete, inklusive dem Sylter Außenriff bisher also praktisch nur auf dem Papier. Ob wir Menschen unsere störenden Aktivitäten zukünftig fast unverändert fortführen werden, oder ob es zu echten Einschränkungen kommt, die der Natur dienen (sprich: ob die Schutzgebiete das Papier wert sind, auf dem sie stehen), daran wird sich die Meeresschutzpolitik in Deutschland trefflich messen lassen können.

Dipl.-Biol. Fabian Ritter, und Meeresschutzexperte bei WDC setzt sich zusammen mit seiner Organisation und dem Projekt „Walheimat“ { http://de.whales.org/themen-und-projekte/walheimat-sichere-schutzgebiete-jetzt } für den verbesserten Schutz der Schweinswale in deutschen Gewässern ein.

Sein neues Buch über Wale und Delphine bei den Kanarischen Inseln gibt es hier:Delfinbuch Titelhttp://clarityverlag.de/shop/edition-claritycollection/delfine-detail.html

Meeresleuchten- das wunderschöne Phänomen hat auch Schattenseiten

Meeresleuchten 2

Noctiluca Schwade vor Rantum Sylt am 24.7.2018 nachmittags
Foto: L.Koch

 Hochsommer sorgt für Massenvermehrung von Algen

Aktuell werden von verschiedenen Stränden der Nordsee lachsrosa Verfärbungen des Wassers gemeldet, insbesondere an strömungsgeschützten Stellen, wie am Hörnumer Oststrand auf Sylt. Es handelt sich um dichte Schwärme der Meeresleuchtalge Noctiluca. Wo das Nordseewasser tagsüber rosa ist, können sich Strandwanderer nachts über ein blau-grünes Meeresleuchten freuen!

Die Leuchtalge ist ein relativ großer Einzeller von 0,6 Millimetern Größe und kann als winzige Kugel mit bloßem Auge in Wasserproben gesehen werden. „Obwohl sie eine Alge ist, besitzt Noctiluca kein Chlorophyll (Blattgrün)“, weiß Biologe Rainer Borcherding von der Schutzstation Wattenmeer. Stattdessen fresse sie einzellige Plankton-Kieselalgen und verhalte sich damit wie ein Raubtierchen – dieses Phänomen sei von verschiedenen Planktonalgen bekannt.

Bei ruhiger Wetterlage können in einem einzigen Liter Wasser fast eine Milliarde Algenzellen enthalten sein. Dieses Wasser sieht beim nächtlichen Herumplanschen wie flüssige Lava aus. „Der Spuk ist nach wenigen Tagen vorbei, weil die Algenblüte oder ‚Rote Tide‘, wie man diese Massenvermehrungen nennt, sich selbst die Nahrung nimmt und nach wenigen Tagen kollabiert“, erklärt Borcherding. Die Algenzellen verhungern und werden von Planktonkrebschen oder Bakterien gefressen.

„Die Meeresleuchtalge wird durch eine Überdüngung des Meeres begünstigt und reagiert besonders auf hohe Nitratkonzentrationen, weil diese ihre Futteralgen fördern“, so der Biologe weiter. Ursprünglich kam Meeresleuchten in der Nordsee nur im Hochsommer vor und war aus vielen anderen Meeren unbekannt. Mittlerweile ist die Art fast weltweit verschleppt und gilt als Anzeichen von Wasserverschmutzung. „Für Politiker und Landwirtschaftsfunktionäre ist das Meeresleuchten eine Warnlampe, dass die Landwirtschaft immer noch viel zu viel Stickstoff in die Gewässer und das Meer leitet“, sagt Borcherding. Eine Wende in der Agrarindustrie und eine Verringerung der Überdüngung der Meere seien dringend erforderlich.

 Warum leuchten Algen?

Die Algenzellen stoßen bei Beunruhigung, also wenn man im Wasser plätschert, einen chemisch erzeugten Lichtblitz aus. Unter den Einzellern hat unser Meeresleuchten einen der kürzesten und hellsten Blitze weltweit. Der Blitz hat eine originelle Funktion: Er dient als Alarmanlage und ruft Hilfe herbei. Im nächtlichen Meer markiert ein Lichtblitz den Ort, wo gerade ein Planktonkrebs versucht, eine Algenzelle zu fressen. Da dieses hungrige Fische anlockt, hüpfen Planktonkrebse reflexhaft davon, wenn sie eine Zelle erwischt haben, die blitzt. Ein helles Ziel ist im nächtlichen Meer sehr leicht zu finden. Daher meiden Räuber leuchtende Beute, die womöglich noch in ihrem Magen wie eine Signallampe wirken würde.

Da die Meeresleuchtalge räuberisch lebt, kann sie gleichgroßen Planktonkrebsen das Futter streitig machen. In australischen Gewässern, wohin die Art bereits im 19. Jahrhundert verschleppt wurde, sieht man die erwärmungsbedingte Ausbreitung von Noctiluca Richtung Südpolarmeer um etwa 40 Kilometer pro Jahr mit Sorge, weil sie die Nahrungsketten dort verändern könnte.

Schutzstation Wattenmeer/C.Goetze, R. Borcherding

 

Nationalparkthemenjahr 2018: „Muscheln und Schnecken“ , Folge 4

100.000 Muschelarten gibt es auf der ganzen Welt, nur 15 davon im Nationalpark Wattenmeer. Trotzdem spielen die Weichtiere mit der harten Schale eine zentrale Rolle in diesem Ökosystem. Ihre wöchentliche Filterleistung entspricht dem gesamten Wasservolumen des Wattenmeeres, sie sind also eine große biologische Kläranlage. Anlässlich des Themenjahres „Muscheln und Schnecken“ wird Biologe Rainer Borcherding monatlich über die Welt der Weichtiere im Nationalpark Wattenmeer berichten.

 

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Pfeffermuschel, Foto R.Borcherding

 

Wo der Wattenmeerschlick am tiefsten ist, lebt eine durchaus häufige, aber kaum bekannte Muschel: Die Große Pfeffermuschel. Sie hat – wie ihr Name verrät – einen unangenehm scharfen Beigeschmack, weshalb sie nur in Notzeiten von Menschen gegessen wurde. Ihr Lebensraum sind die Schlickwatten an Europas und Nordafrikas Küsten. Hier steckt sie etwa zehn Zentimeter tief im Boden vergraben. Ihre relativ dünnen Schalen sind flach und rundlich und meist kalkweiß, mitunter auch gelblich. Allerdings können sie durch den schwarzen Schlickboden auch grau-blau bis tiefschwarz verfärbt sein.

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Spuren der Pfeffermuschel auf dem Wattboden

 

Wie fast alle Muscheln schlürft die Pfeffermuschel ihre Nahrung zusammen mit dem Wasser in sich hinein. Allerdings begnügt die Art sich nicht allein mit dem Plankton, das im Wasser verteilt ist, sondern sie frisst lieber Nahrhafteres. Schon vor Jahrmillionen hat die Art daher den Staubsauger erfunden: Ihr Einströmsipho, also der Hautschlauch, durch den sie Wasser einsaugt, ist beweglich und bis zu 30 Zentimeter lang. Die Muschel nutzt diesen Sipho, um den frisch auf der Wattoberfläche abgelagerten Schlick rund um ihren Wohnort einzusaugen (zu „pipettieren“). Auf dem Wattboden entstehen sternförmige Furchen, wenn die Muschel die nahrhafte oberste Schlickschicht mit ihrem Sipho einschlürft. Sind die verdaulichen Anteile entnommen, spuckt sie die Reste als kleine Schlickfontäne möglichst weit ins Wasser hinaus, damit die Strömung den Schlick fortspült.

 

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Pfeffermuschel in Lebensstellung Foto: R.Borcherding

Da die Pfeffermuschel etwa zehn Zentimeter tief vergraben lebt, hat sie recht wenige Fressfeinde. Nur der Große Brachvogel und manchmal ein Austernfischer kommen an die erwachsenen Muscheln heran. Ein gewisses Risiko besteht allerdings immer: Fische, Krebse und diverse Vögel schnappen gerne nach der beweglichen Siphospitze und beißen sie ab. Erwischen sie nur den letzten Zentimeter des Siphos, kümmert dies die Muschel wenig, denn sie kann den Sipho nachwachsen lassen. Wird ein längeres Stück abgebissen, ist sie einige Tage lang traumatisiert und schlürft nur sehr vorsichtig mit dem verkürzten Sipho. Falls sie allerdings gerade großen Hunger hat, steigt sie im Boden etwas empor, um trotz des verkürzten Siphos weiterhin einen großen Aktionsradius beim Schlicksaugen zu haben. Das erhöht jedoch ihr Risiko, von einem Vogel erstochert und gefressen zu werden.

 

Wenn sie Glück hat, kann die Pfeffermuschel 15 bis 18 Jahre alt und knapp sechs Zentimeter lang werden. Sie kommt mit sehr wenig Sauerstoff aus, verschwindet aber bei starker Wasserverschmutzung. 1980 bis 1992 fehlte die Art in Schleswig-Holstein, ist inzwischen aber wieder in allen Schlickwatten anzutreffen. Wenn man bei Sonnenschein leise vor einer Pfütze im Schlickwatt steht, sollte man schon bald die Staubsaugerrüssel in Aktion beobachten können.

 

Rainer Borcherding, Schutzstation Wattenmeer