Bollwerk gegen die Klimakrise wird in Westerland gebaut

Wer über die Corona-Krise die Klima-Krise vergessen hat, braucht die Tage nur auf die Promenade in Westerland zu gehen. Dort sorgt „Vater Staat“ mit Millonenaufwand dafür, dass die teuren Hotels in Zukunft nicht von erhöhter Sturmhäufigkeit bei steigendem Meeresspiegelanstieg weggespült werden:

Die im vergangenen Jahr durchgeführten Arbeiten zur Verstärkung der Ufermauer in Westerland werden in diesem Jahr fortgesetzt. Nördlich der Friedrichstraße wird ein 150 Meter langer Bereich bis über die Kurmuschel hinaus verstärkt (Bauabschnitte 1b und 3). Die vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN.SH) beauftragten Arbeiten beginnen in der kommenden Woche und werden bis Oktober fertiggestellt.

Vor über hundert Jahren wurde die Ufermauer in Westerland gebaut um die exponierten Häuser der Stadt gegenüber Angriffen der See zu schützen. Weil das Mauerwerk stellenweise abbricht und es Schäden an den Fugen gibt, wird die Ufermauer bis 2023 in den Sommermonaten abschnittweise verstärkt. Bereits 2009 war ein 70 Meter langer Abschnitt südlich der Friedrichstraße instandgesetzt worden, im vergangen Jahr der daran anschließende 90 Meter lange südlichste Abschnitt der Uferwand.

Die bereits verstärkten Abschnitte zeigen, wie bald auch die anderen Abschnitte aussehen werden: Aus 2,2 Meter breiten, 4,4 Meter hohen und 13 Tonnen schweren Stahlbeton-Fertigteilen wird eine Uferwand unmittelbar vor die alte Ufermauer gesetzt. Die Wandelemente werden von je zwei Verpresspfählen gehalten, die sie wie riesige Dübel 18 Meter weit schräg unten im Boden verankern. Für sie werden, so erschütterungsarm wie möglich, 20 Zentimeter starke Löcher gebohrt. Beim Einbau der Verpresspfähle wird die Zugspannung gemessen, um sicher zu sein, dass die Stahlbetonelemente perfekt halten.

Bei der Höhe der Uferwand wurde die absehbare Zunahme des Meeresspiegels infolge des Klimawandels berücksichtigt. Der zur See hin geneigte Kopf der Uferwand liegt 80 Zentimeter über dem Niveau der Promenade.

Mit Beginn der Arbeiten werden Bauzäune den Baubereich absperren. Die Uferpromenade bleibt aber begehbar. Der Aushub der Baugrube wird am Strand zwischengelagert. Strandkörbe können dort in diesem Jahr nicht stehen, ein Strandspaziergang am Ufersaum ist aber weiterhin möglich. 

Alle Baumaterialien werden vom Autozubringer Sylt über das öffentliche Straßennetz angeliefert. Der LKN.SH bittet um Verständnis für die mit dem Bau verbundenen Unannehmlichkeiten. Die Arbeiten sind aber unverzichtbar um Westerland zu erhalten und die dort lebenden Menschen vor Sturmfluten zu schützen.

Die Verstärkung der gesamten Uferwand bis 2023 kostet etwa zehn Millionen Euro. Die Arbeiten in diesem Jahr werden aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz des Bundes finanziert.

Hinweis: Ein Faltblatt zur Baumaßnahme liegt an, es wird an der Baustelle ausgegeben.

Aus einer Pressemitteilung des Landes SH (LKN)

Kein Autostop in Westerland City?

Es sollte ein Testversuch werden: Für 3 Monate wollten Gemeindevertreter von CDU und Grüne versuchsweise die Elisabethstrasse in Westerland autofrei machen und zum entspannten Bummeln freigeben (ausgenommen Anlieger und Lieferverkehr). Im Herbst sollte dann Bilanz gezogen werden, ob sich das Projekt lohnenswert für Mensch, Umwelt und auch Läden ausgewirkt hätte. Doch daraus wird wohl erstmal nichts. Die Ankündigung in der Presse sorgte wie auf Knopfdruck sofort für massiven Widerstand bei vielen Geschäftsinhabern entlang der Strasse.

Die Elisabethstrasse ist eine Querverbindung zwischen den beiden bekannten Fußgängerzonen Strandstrasse und Friedrichstraße. Es wäre also für Hunderttausende von bummelnden Urlaubern und Einheimischen, die hier im Sommer Zeit verbringen, ein Rundgang entstanden, bei dem niemand hätte auf Kraftfahrzeuge achten müssen. Wie aus vielen anderen Städten Deutschlands bekannt ist, die autofreie Zonen geschaffen haben, hätte das sehr wahrscheinlich die Umsätze der Läden und Restaurants in dieser Strasse erhöht, weil entspanntes Bummeln eher zum Shoppen führt.

Dass die Anlieger sich nun dagegen so vehement wehren, hat etwas Reflexartiges gegenüber jeder Veränderung, die für Westerland vorgeschlagen wird. Eventuell kommt auch die verständliche Anspannung hinzu, die derzeit durch die Corona-Schliessungen bei den Unternehmern entstand.

Maria Andresen von den Sylter Grünen erinnert sich: „Als damals der Autoverkehr für die Friedrich- und Strandstrasse eingestellt wurde, gab es ähnliche Proteste. Heute will kein Ladenbesitzer in diesen Strassen, dass dort wieder Autos fahren. Die Umsätze stiegen hier seit der Zeit um ein Vielfaches“.

Gerade in diesem Sommer hätte sich so eine Massnahme sicher gelohnt, da mehr Stellfläche im Aussenbereich für Restaurants entstanden wäre. Gut um die Abstands-Auflagen zum Coronaschutz einzuhalten.

Noch ist das letzte Wort über die Massnahme nicht gesprochen. Das Projekt soll jetzt erstmal im Umweltausschuss besprochen werden. Anlieger sollen gehört werden. Dann wird sich herausstellen, ob von den Bemühungen und Erkenntnissen zum Klimaschutz, die vor Corona in aller Munde waren noch etwas übrig ist.

Der Sylt-Veggie-Check vor dem Hintergrund der Klimakrise

NaturReporter Sylt-Special zum Klima-Aktionstag 24.4.2020

Dass Fleischproduktion und -konsum ein Motor des Klimawandels ist, hat sich erst vor Kurzem in der Bevölkerung herumgesprochen, obwohl es bereits seit Jahrzehnten bekannt war. Rund 60 kg Fleisch pro Kopf und Jahr berechnen die Statistiker für den Deutschen Konsumenten. Der NaturReporter Sylt wollte es jetzt für die Insel genauer wissen, ob die Klimadiskussion der vergangenen Jahre im insularen Angebot der Gastronomie etwas verändert hat.

Mit Hilfe der Sylt a´ la Carte-Bände aus 2012 und 2019 (Standart-Restaurantführer von Sylt) konnte abgecheckt werden, ob über die Jahre in Sylter Restaurants ein wachsendes Angebot an vegetarisch und veganen Speisen zu verzeichnen war.

Dabei wurden ausschliesslich die Angebote an „Zwischen- und Hauptgerichten“ der in den Bänden veröffentlichten Speisekarten beachtet (also keine Vorspeisen und Snacks). Hintergrund war die Annahme, dass ein Restaurantbesuch in erster Linie nicht unbedingt dem Stillen eines Hungers diene, sondern vielmehr einen kostspieligen Event darstellt, der den Sinn hat, einmal aus dem Alltag auszusteigen und sich köstlich bekochen zu lassen. 

„Vegetarier und Veganer, die mit dieser Haltung Essen gehen, wollen sich logischerweise nicht mit einfachen Beilagen oder Standardgerichten (Pasta) abspeisen lassen, sondern ebenso eine Auswahl zwischen kreativen Speisen vorfinden, wie Fleischesser.“ meint Lothar Koch, selbst Vegetarier seit 1984. Dass dies keine Kunst ist, verrät die Schwemme von vegetarischen und veganen Kochbüchern, die in jeder Buchhandlung stehen und mit hunderten ausgefallener, fleischloser Gerichte aufwarten. 

Der Vergleich zwischen 2012 und 2019 ist insofern interessant, als dass zwischen diesen Jahren mit den Informationen zur Klimakrise erhebliche Argumente hinzukamen, den Fleischkonsum zu reduzieren. Neben dem Tierwohl, der Massenproduktion von Billigfleisch, diversen Fleischskandalen mit Bakterien und Parasiten, sowie der Erkenntnis, dass Antibiotikaresistenzen durch Fleischkonsum gefördert werden, kam nun noch die Klimaschädlichkeit der Massentierhaltung hinzu.

Frage: „Hat sich dadurch etwas in der Sylter Gastronomie verändert?“ 

Antwort: Offenbar nur wenig:

Ausgewertet wurden alle 87 abgedruckten Speisekarten in Sylt a´ la Carte 2012 und alle 62 Karten im Band von 2019.

 Insgesamt stellten in 2012 42% der Speisekarten mindestens ein fleischloses Gericht ins Angebot. In 2019 stieg der Anteil auf 61 %. Leider waren jedoch von diesen fleischlosen Gerichten in 2019 52% simple Pizza & Pasta-Gerichte. Auf kreativere vegetarische Gerichte entfielen 2019 lediglich 47% der insgesamt relativ wenigen fleischlosen Speisen. Damit hatte sich seit 2012 bei diesen Werten fast nichts geändert.

Acht von 38 Karten aus 2019 boten dem vegetarischen Gast mit einem einzigen fleischlosen Gericht nach dem Prinzip „Friss oder stirb“ keine echte Auswahl an. 

Graphik: BUND Naturschutz

Fazit: ein Vegetarier ging 2019 beim Besuch eines Sylter Restaurants in knapp 40 % der Fälle ganz leer aus. Bei den restlichen 61 % der Restaurants fand er/sie in acht Fällen keine echte Auswahl, sondern musste das eine Gericht nehmen, das auf der Karte stand. Bei den restlichen 30 Restaurants mit mehr Auswahl stieg dann die Zahl vegetarischer Gerichte auf magere 2-5 von oft über 20 Haupt- und Zwischengerichten auf einer Speisekarte. Veganer fanden lediglich zwei Restaurants, mit entsprechender Rubrik vor.

Dem würde der Wirt möglicherweise entgegnen, dass er durchaus bereit sei, auf Anfrage etwas Veganes oder Vegetarisches zu zaubern. „Derlei „Extrawürste“ sind jedoch für den vegetarischen Gast eher unangenehm „Man möchte schliesslich selbst wählen, was man isst und besonders in der Gemeinschaft anderer nicht in eine Aussenseiterposition gerückt werden.“

Fazit der Analyse: seit 2012 zeichnet sich eine leichte Verbesserung im Angebot von vegetarischen und veganen Speisen in der Sylter Gastronomie ab. Insgesamt bleibt Sylt angesichts seines Rufes als „Urlaubsdestination mit Top-Gastronomie“ jedoch deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück, Gästen und Einheimischen ein vielfältiges Angebot zu bieten, die vegan oder vegetarisch speisen möchten.

Wäre nicht die Coronakrise der richtige Zeitpunkt darüber nachzudenken, für die Zukunft danach, ein breiteres, gesünderes Angebot an klima-, tier-, und umweltfreundfreundlichen Speisen auf Sylt anzubieten, um auch auf lange Sicht wettbewerbsfähig zu bleiben?

*Nicht alle Restaurants der Insel sind in den Sylt a´ la Carte Büchern mit kompletten Speisekarten vertreten. Dennoch bilden die Bände einen wesentlichen Teil der anspruchsvolleren Sylter Gastronomie ab. Hinweise auf vegetarische Küche ausserhalb von Speisekarten, konnten um der Vergleichbarkeit willen leider nicht berücksichtigt werden.

Lothar Koch

NaturReporter Sylt im langen Interview bei Sylt1 zur Entwicklung der Insel nach der Corona Krise


Bitte folgen Sie diesem Link zum Video:

https://www.sylt1.tv/mediathek/die-zukunft-der-insel-sylt/

Nationalpark-Feeling auf Sylt- echte Lebensqualität pur!

In den Wochen des „Shut Downs“ zeigt sich die Insel das erste Mal zu meinen Lebzeiten so, wie sie uns sonst nur in Werbeprospekten und Internetseiten von Touristikern, Naturfilmern und Landschaftsfotografen schmackhaft gemacht wird: Natur pur. 

Pfuhlschnepfen am Rantum Becken, Foto: Dr. Thomas Luther

Fotografen müssen sonst normalerweise gegen 5:00 Uhr auf die Pirsch gehen, um Bilder einer makellosen Landschaft zu schiessen. Nur wenige Stunden später wird die Insel ja sonst von Menschen geflutet. Wer jetzt auf Sylt ausgedehnte Spaziergänge unternimmt, was gottlob, anders als in Spanien und vielen anderen Ländern gestattet ist, kann auf einer tieferen Ebene begreifen, weshalb Sylt als Insel im Welterbe Wattenmeer bezeichnet wird, ja eigentlich selbst den Rang eines Nationalparks haben könnte.

Und ich meine nicht nur die endlos wirkenden, einsamen sylter Strände, die majestätisch still daliegende Dünenlandschaft und die Weite des Meeres.

Nonnengänse, Foto: Dr. Thomas Luther

Das Nationalpark – Feeling kommt derzeit im April am ehesten rund um das Rantum Becken auf. Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort fliegen mir hier derzeit 70 000 Knutts und Pfuhlschnepfen förmlich um die Ohren. Ich stehe auf dem Rantum Beckendeich bei nahezu Windstille und einer österlichen Frühlingssonne, die schon so stark ist, dass sie mein Gesicht bräunt. Beim Blick über die Schilfflächen sind die rastenden Watvögel, die gerade von den Atllantikküsten Westeuropas eingetroffen sind, leicht zu übersehen. Erst bei genauerem Beobachten fällt mir auf, dass sich die vermeintliche Landzunge bewegt. Ein Blick durch das Fernglas schafft Klarheit. Die „Landzunge“ besteht in Wirklichkeit aus einem geschlossenen Teppich kleiner Wattvögel in graubraunem Gefieder, die dichtgedrängt eine vibrierende Fläche im Sonnenlicht bilden. Knutts und Pfulschnepfen machen die Masse aus, aber auch Alpenstrandläufer und Kiebitzrgenpfeifer sind darunter. Sie gehören zu den „Schwarmvögeln“, die zweimal im Jahr für einige Wochen im Wattenmeer Station machen, um sich „Treibstoff“ für die Non-Stop Weiterreise nach Grönland und Kanada oder Sibirien und zurück anzufressen. Ein Kaninchen rast aufgeschreckt nahe der Rastvögel durchs Gras. Augenblicklich erhebt sich die gesamte „Landzunge“ und verwandelt sich in eine „Luftqualle“. Zigtausende steigen gleichzeitig auf. Ich höre ein Rauschen, ähnlich einer Windboe, die durch einen Wald weht. Quallenartig bewegt sich die Formation in akrobatischen Luftnummern. Dabei changiert im Sonnenlicht die Farbe zwischen grellweiss und braun und grau, je nachdem, welche Körperseite die Vögel im Schwarm gerade zeigen.
Nach einigen Runden fliegen sie eine Kehrtwende genau auf mich zu. In fast greifbarer Nähe fliegen Tausende der Tiere über meinen Kopf hinweg und wechseln auf die Wattseite. Dort lassen sie sich auf der Spitze einer kleinen, hellen Sandbank nieder und bilden erneut eine tierische „Landzunge“. Die würden die  meisten Wanderer und Radfahrer wohl übersehen, wenn sie den Radweg am Deichfuss, nahe der Sandinsel entlanggingen oder -führen. Aber da geht oder fährt gar keiner. Ich bin ganz allein, mitten im „Nationalpark Sylt“, mitten unter Zig-Tausenden von Wildtieren, die in ihrer eigenen Welt leben, ihre eigene, von Ebbe und Flut geprägte Agenda haben: Fliegen, rasten, fressen, fliegen, rasten, fressen. Immer in engem sozialen Verband, immer im Gleichklang. Ich überlege, wie wird „social distancing“ wohl auf lange Sicht unsere Gesellschaft verändern? Wird sich wieder alles normalisieren? Eine Tagesschausprecherin hat gestern gesagt, der Handschlag, den wir uns gaben, wird wohl für immer aus unserem Repertoire der Höflichkeiten verschwinden. Und was ist mit Umarmungen von guten Freunden? Kann das der richtige Weg sein- müssen wir uns wirklich dauerhaft dem Diktat von Viren und Hygienikern beugen?

Nonnengänse im Nössekoog, Foto: Dr. Thomas Luther


Ich radle auf dem Beckendamm weiter nach Norden und hinter dem Deichkreuz über den Nössedeich in die Tinnumer Wiesen. Noch bevor meine Augen etwas wahrnehmen, haben meine Ohren schon die Masse an Vögeln bestimmt, die sich mit Rottrottrott ankündigen und auf den grünen Wiesen hinter dem Deich rasten und äsen: Nonnengänse! Die schwarz-weissen Vögel mit den langen Hälsen und den weissen Wangen sind selten in derart grossen Schwärmen wie derzeit auf den Wiesen zu beobachten. Und es kommen immer mehr. Von Südosten schwärmen sie am laufenden Band ein und zeichnen dunkle Pfeile gegen den strahlend blauen Osterhimmel. Sie kommen jetzt von den britischen und französischen Küsten, wo sie die kalte Jahreszeit verbringen und werden Ende Mai in Richtung Sibirien weiter ziehen. Sie reisen dann gemeinsam mit ihren Vettern und Cousinen, den dunkelbäuchigen Ringelgänsen, die jedoch ihre pflanzliche Nahrung nicht binnendeichss, sondern auf den Schlickflächen und Salzwiesen des Nationalparks suchen. 

Während der Airport Sylt stillgelegt ist, herrscht also reger Flugbetrieb in den Tinnumer Wiesen. Im Vergleich zu den Watvögeln des Rantumbeckens wirken die Gänse jedoch wir Airbusse- und die noch grösseren Graugänse wie Jumbo-Jets. Vereinzelt sind auch die seltenen Uferschnepfen auf den Wiesen zu beobachten. Früher ein „Allerweltsvogel“, stehen sie heute auf der Roten Liste. Leider fehlt von den Kampfläufern, die noch bis zur Jahrtausendwende zu dieser Zeit im Nössekoog ihr spektakuläres Balzspiel vorführten jede Spur. Sie scheinen hier ausgestorben zu sein. Wesentliche Gründe liegen wohl an Biotopschwund, Raubwildvermehrung und Stördruck durch Wanderer und Fahrzeuge. Die Wiesenvögel brauchen triefnasse Wiesen, Bereiche wo kein Fuchs ihre Gelege findet und haben  alle eine grosse Fluchtdistanz. Vielleicht ist das Geschenk der Ruhe in diesem Frühjahr eine Unterstützung für diese Arten, die sonst permanent von freilaufenden Hunden, rasenden Autos und lärmenden Radfahrern aufgeschreckt werden. Auf jedenfall sind sie auf den Fennen viel zutraulicher, als zu Normalzeiten.

Die Ruhe ist wirklich paradiesisch, trotz, oder gerade wegen des Rotrottrotts, des Gefiepes und Gezwitschers.
So dürfte es auf Sylt immer sein. Aber was ist mit den Menschen? Die leben hier fast alle vom Tourismus. Ja, aber was ist mit Lebensqualität? Wir sollten intelligente Lösungen finden; einen Neustart nach der Krise hinlegen, der nicht panikbestimmt Corona-Löcher in den Kassen füllen will, sondern sich auch auf das Wesentliche besinnt. Natürlich muss es für uns alle ausreichend Möglichkeiten geben mehr als nur die Existenz zu sichern, deswegen wünscht sich niemand eine leere Insel. Aber Glücksforscher haben bewiesen, dass der Kontostand ab einer gewissen Grundsicherung nichts mehr mit dem inneren Glücksgefühl und Wohlbefinden zu tun hat. Vielleicht haben dass ja eine ganze Menge Insulaner in diesen Wochen gespürt? Was würde uns persönlich und als Inselgesellschaft denn reichen? Das könnte eine interessantere Frage sein als „Wieviel Gewinn können wir denn noch machen?“.

Uferschnepfe in den Morsmer Wiesen, Foto: Dr. Thomas Luther

Ach ja! Und dann war ja noch das Ding mit dem Klimawandel- eine Herausforderung, die schon hinter der nächsten Ecke wartet.

Text: Lothar Koch, Biologe & Autor
Fotos: Dr. Thomas Luther